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Vermischungsverbot und Schadensberechnung

Vermischungsverbot und Schadensberechnung

Diesmal befassen wir uns mit dem „Vorgänger“ zu dem in unserem Blogbeitrag vom 31.08.22 besprochenen Urteil. Wieder geht es um die Frage der Ersatzfähigkeit von gezahlter Umsatzsteuer bei fiktiver Abrechnung. Der BGH hat sich in dem Urteil vom 12.10.2021 (Az: VI ZR 513/19) jedoch auch zur Höhe der hypothetischen Reparaturkosten geäußert, insbesondere wenn nicht der günstigste Weg zur Schadensbeseitigung von dem Geschädigten gewählt wird.

Darum geht es

Im Januar 2017 kam es zu einem Unfallereignis, bei welchem das Fahrzeug des Klägers beschädigt wurde. Die volle Haftung der beiden Beklagten ist in der Revisionsinstanz unstreitig. Die beklagte Versicherung regulierte den Schaden an dem klägerischen Fahrzeug zunächst nur zur Hälfte. Grundlage der Schadensberechnung war ein von dem Kläger eingeholtes Privatgutachten, welches Reparaturkosten von knapp 5.300 € netto ansetzte. Die Versicherung verwies den Kläger auf eine Vergleichswerkstatt, in welcher günstigere Stundenverrechnungssätze angesetzt wurden. Auf dieser fiktiven Basis erfolgte dann die hälftige Zahlung der beklagtenseits angenommenen Reparaturkosten von etwa 4.500 €. Nach der Gutachtenerstellung durch den Kläger wurden die Stundensätze der Vergleichswerkstatt jedoch angehoben. Diese Erhöhung blieb bei der Berechnung der Beklagten außer Betracht.

Der Kläger forderte nun klageweise den Ersatz der restlichen Reparaturkosten, wie sie in dem Privatgutachten ausgewiesen waren. Während des Rechtsstreits beschaffte er sich ein Ersatzfahrzeug zum Preis von 17.990€ inkl. Umsatzsteuer in Höhe von knapp 2.900 €.  

Ansichten der Vorinstanzen

Das Amtsgericht Limburg hatte den zu ersetzenden Schaden auf einen Mittelwert zwischen den von den Parteien vorgebrachten Beträgen geschätzt. Es verurteilte die Beklagten zur Zahlung weiteren Schadensersatzes bis zu der geschätzten Höhe.

Insbesondere im Hinblick auf die Schadenschätzung haben die Parteien Berufung und Anschlussberufung eingelegt. Der Kläger erweiterte zudem seine Klage. Er forderte nun auch den Ersatz der Umsatzsteuer in der Höhe, wie sie in dem Privatgutachten ausgewiesen wird. Dies begründete er damit, dass er bei der Ersatzbeschaffung tatsächlich Umsatzsteuer bezahlt habe.  

Das Landgericht Limburg reduzierte die Höhe des Schadensersatzes auf den Nettobetrag der Vergleichswerkstatt wie von den Beklagten berechnet. Gleichzeitig sprach es dem Kläger jedoch einen Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer bezüglich der angesetzten Reparaturkosten zu.

Mit der Revision verfolgte der Kläger seinen Anspruch bezüglich der weitergehenden Reparaturkosten und Umsatzsteuer weiter.

Beurteilungszeitpunkt für Schadensberechnung

Der BGH entschied nun, dass die hypothetischen Reparaturkosten zu gering angesetzt wurden. Das LG habe Rechtsgrundsätze der Schadenbemessung verkannt.

Die Höhe des Schadensersatzes richte sich grundsätzlich nach den Werteverhältnissen im Zeitpunkt der vollständigen Erfüllung. Nur im Fall der konkreten Abrechnung sei auf die Umstände des Zeitpunkts abzustellen, in welchem die Herstellung des Zustands, der ohne Eintritt des zum Ersatz verpflichtenden Umstands – etwa einem Unfall – bestehen würde, tatsächlich erfolgte. Das LG stützte sich auf den Zeitpunkt der Gutachtenerstellung im Auftrag des Klägers als maßgeblichen Zeitpunkt. Dieser Ansicht widersprach der BGH. Danach sei in einem Rechtsstreit auf den prozessual letztmöglichen Beurteilungszeitpunkt abzustellen, hier die letzte mündliche Tatsachenverhandlung. Somit hätte unter anderem auch die Anhebung der Stundenverrechnungssätze bei der Vergleichswerkstatt berücksichtigt werden müssen. Hierzu seien noch weitere Feststellungen erforderlich.

Keine Umsatzsteuer bei fiktiver Abrechnung

Zudem habe der Kläger derzeit keinen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Umsatzsteuer.

Grundsätzlich bestehen bei Fahrzeugschäden zwei Möglichkeiten der Schadenbeseitigung: entweder die Reparatur oder eine Ersatzbeschaffung. Hierfür kann der Geschädigte auch den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Der Geschädigte hat dabei die Art der Schadensbehebung mit dem geringsten Aufwand zu wählen. Nur der hierfür angesetzte Betrag wird als erforderlich angesehen. Wählt er den aufwändigeren (und teureren) Weg, so wird der Ersatzanspruch „der Höhe nach auf den nach Maßgabe des Wirtschaftlichkeitspostulats erforderlichen niedrigeren Betrag beschränkt.“ In unserem Fall bedeute dies, dass die Kosten der Ersatzbeschaffung nur bis zur Höhe der hypothetisch erforderlichen Reparaturkosten ersatzfähig seien.

Die Ersatzbeschaffung und die Reparatur sind gleichwertige Arten der Schadensbehebung. Sie begründen lediglich unterschiedliche Arten der Schadensberechnung. So sei es auch bei der Frage, ob fiktiv abgerechnet oder die konkret angefallenen Kosten erstattet werden sollen. Eine Vermengung der Berechnungsarten sei unzulässig, wie auch in dem aktuelleren Urteil nochmals klargestellt wurde.

Keine Benachteiligung des Geschädigten

Der Geschädigte werde durch dieses Vermischungsverbot auch nicht benachteiligt. Es handele sich um eine gesetzlich beabsichtigte Beschränkung der Dispositionsfreiheit der Geschädigten. Diesen sei aber nach wie vor – bei Beachtung der rechtlichen Voraussetzungen und der Verjährung – ein Umschwenken auf die konkrete Abrechnung inkl. Umsatzsteuer möglich. Dies gelte auch dann, wenn die tatsächlich durchgeführte Wiederherstellungsmaßnahme dem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht entspricht. So liegt es auch in unserem Fall. Ein Umschwenken des Geschädigten auf die konkrete Abrechnung sei noch möglich. Der Anspruch auf Schadensersatz werde dann lediglich auf die hypothetisch erforderlichen Reparaturkosten gedeckelt, die diesbezügliche Umsatzsteuer sei jedoch auch erfasst.

Der BGH verwies die Sache daher unter teilweiser Urteilsaufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.  

Wenn wir mit diesem Beitrag Ihr Interesse geweckt haben, schauen Sie auch gerne in unsere weiteren Blogeinträge. Sollten Sie in einer ähnlichen Fallkonstellation selbst betroffen sein, melden Sie sich. Eine fernmündliche Ersteinschätzung seitens unseres Teams ist für Sie kostenfrei.

Diesmal befassen wir uns mit dem „Vorgänger“ zu dem in unserem Blogbeitrag vom 31.08.22 besprochenen Urteil. Wieder geht es um die Frage der Ersatzfähigkeit von gezahlter Umsatzsteuer bei fiktiver Abrechnung. Der BGH hat sich in dem Urteil vom 12.10.2021 (Az: VI ZR 513/19) jedoch auch zur Höhe der hypothetischen Reparaturkosten geäußert, insbesondere wenn nicht der günstigste Weg zur Schadensbeseitigung von dem Geschädigten gewählt wird.

Darum geht es

Im Januar 2017 kam es zu einem Unfallereignis, bei welchem das Fahrzeug des Klägers beschädigt wurde. Die volle Haftung der beiden Beklagten ist in der Revisionsinstanz unstreitig. Die beklagte Versicherung regulierte den Schaden an dem klägerischen Fahrzeug zunächst nur zur Hälfte. Grundlage der Schadensberechnung war ein von dem Kläger eingeholtes Privatgutachten, welches Reparaturkosten von knapp 5.300 € netto ansetzte. Die Versicherung verwies den Kläger auf eine Vergleichswerkstatt, in welcher günstigere Stundenverrechnungssätze angesetzt wurden. Auf dieser fiktiven Basis erfolgte dann die hälftige Zahlung der beklagtenseits angenommenen Reparaturkosten von etwa 4.500 €. Nach der Gutachtenerstellung durch den Kläger wurden die Stundensätze der Vergleichswerkstatt jedoch angehoben. Diese Erhöhung blieb bei der Berechnung der Beklagten außer Betracht.

Der Kläger forderte nun klageweise den Ersatz der restlichen Reparaturkosten, wie sie in dem Privatgutachten ausgewiesen waren. Während des Rechtsstreits beschaffte er sich ein Ersatzfahrzeug zum Preis von 17.990€ inkl. Umsatzsteuer in Höhe von knapp 2.900 €.  

Ansichten der Vorinstanzen

Das Amtsgericht Limburg hatte den zu ersetzenden Schaden auf einen Mittelwert zwischen den von den Parteien vorgebrachten Beträgen geschätzt. Es verurteilte die Beklagten zur Zahlung weiteren Schadensersatzes bis zu der geschätzten Höhe.

Insbesondere im Hinblick auf die Schadenschätzung haben die Parteien Berufung und Anschlussberufung eingelegt. Der Kläger erweiterte zudem seine Klage. Er forderte nun auch den Ersatz der Umsatzsteuer in der Höhe, wie sie in dem Privatgutachten ausgewiesen wird. Dies begründete er damit, dass er bei der Ersatzbeschaffung tatsächlich Umsatzsteuer bezahlt habe.  

Das Landgericht Limburg reduzierte die Höhe des Schadensersatzes auf den Nettobetrag der Vergleichswerkstatt wie von den Beklagten berechnet. Gleichzeitig sprach es dem Kläger jedoch einen Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer bezüglich der angesetzten Reparaturkosten zu.

Mit der Revision verfolgte der Kläger seinen Anspruch bezüglich der weitergehenden Reparaturkosten und Umsatzsteuer weiter.

Beurteilungszeitpunkt für Schadensberechnung

Der BGH entschied nun, dass die hypothetischen Reparaturkosten zu gering angesetzt wurden. Das LG habe Rechtsgrundsätze der Schadenbemessung verkannt.

Die Höhe des Schadensersatzes richte sich grundsätzlich nach den Werteverhältnissen im Zeitpunkt der vollständigen Erfüllung. Nur im Fall der konkreten Abrechnung sei auf die Umstände des Zeitpunkts abzustellen, in welchem die Herstellung des Zustands, der ohne Eintritt des zum Ersatz verpflichtenden Umstands – etwa einem Unfall – bestehen würde, tatsächlich erfolgte. Das LG stützte sich auf den Zeitpunkt der Gutachtenerstellung im Auftrag des Klägers als maßgeblichen Zeitpunkt. Dieser Ansicht widersprach der BGH. Danach sei in einem Rechtsstreit auf den prozessual letztmöglichen Beurteilungszeitpunkt abzustellen, hier die letzte mündliche Tatsachenverhandlung. Somit hätte unter anderem auch die Anhebung der Stundenverrechnungssätze bei der Vergleichswerkstatt berücksichtigt werden müssen. Hierzu seien noch weitere Feststellungen erforderlich.

Keine Umsatzsteuer bei fiktiver Abrechnung

Zudem habe der Kläger derzeit keinen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Umsatzsteuer.

Grundsätzlich bestehen bei Fahrzeugschäden zwei Möglichkeiten der Schadenbeseitigung: entweder die Reparatur oder eine Ersatzbeschaffung. Hierfür kann der Geschädigte auch den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Der Geschädigte hat dabei die Art der Schadensbehebung mit dem geringsten Aufwand zu wählen. Nur der hierfür angesetzte Betrag wird als erforderlich angesehen. Wählt er den aufwändigeren (und teureren) Weg, so wird der Ersatzanspruch „der Höhe nach auf den nach Maßgabe des Wirtschaftlichkeitspostulats erforderlichen niedrigeren Betrag beschränkt.“ In unserem Fall bedeute dies, dass die Kosten der Ersatzbeschaffung nur bis zur Höhe der hypothetisch erforderlichen Reparaturkosten ersatzfähig seien.

Die Ersatzbeschaffung und die Reparatur sind gleichwertige Arten der Schadensbehebung. Sie begründen lediglich unterschiedliche Arten der Schadensberechnung. So sei es auch bei der Frage, ob fiktiv abgerechnet oder die konkret angefallenen Kosten erstattet werden sollen. Eine Vermengung der Berechnungsarten sei unzulässig, wie auch in dem aktuelleren Urteil nochmals klargestellt wurde.

Keine Benachteiligung des Geschädigten

Der Geschädigte werde durch dieses Vermischungsverbot auch nicht benachteiligt. Es handele sich um eine gesetzlich beabsichtigte Beschränkung der Dispositionsfreiheit der Geschädigten. Diesen sei aber nach wie vor – bei Beachtung der rechtlichen Voraussetzungen und der Verjährung – ein Umschwenken auf die konkrete Abrechnung inkl. Umsatzsteuer möglich. Dies gelte auch dann, wenn die tatsächlich durchgeführte Wiederherstellungsmaßnahme dem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht entspricht. So liegt es auch in unserem Fall. Ein Umschwenken des Geschädigten auf die konkrete Abrechnung sei noch möglich. Der Anspruch auf Schadensersatz werde dann lediglich auf die hypothetisch erforderlichen Reparaturkosten gedeckelt, die diesbezügliche Umsatzsteuer sei jedoch auch erfasst.

Der BGH verwies die Sache daher unter teilweiser Urteilsaufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.  

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Darum geht es

Im Januar 2017 kam es zu einem Unfallereignis, bei welchem das Fahrzeug des Klägers beschädigt wurde. Die volle Haftung der beiden Beklagten ist in der Revisionsinstanz unstreitig. Die beklagte Versicherung regulierte den Schaden an dem klägerischen Fahrzeug zunächst nur zur Hälfte. Grundlage der Schadensberechnung war ein von dem Kläger eingeholtes Privatgutachten, welches Reparaturkosten von knapp 5.300 € netto ansetzte. Die Versicherung verwies den Kläger auf eine Vergleichswerkstatt, in welcher günstigere Stundenverrechnungssätze angesetzt wurden. Auf dieser fiktiven Basis erfolgte dann die hälftige Zahlung der beklagtenseits angenommenen Reparaturkosten von etwa 4.500 €. Nach der Gutachtenerstellung durch den Kläger wurden die Stundensätze der Vergleichswerkstatt jedoch angehoben. Diese Erhöhung blieb bei der Berechnung der Beklagten außer Betracht.

Der Kläger forderte nun klageweise den Ersatz der restlichen Reparaturkosten, wie sie in dem Privatgutachten ausgewiesen waren. Während des Rechtsstreits beschaffte er sich ein Ersatzfahrzeug zum Preis von 17.990€ inkl. Umsatzsteuer in Höhe von knapp 2.900 €.  

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Insbesondere im Hinblick auf die Schadenschätzung haben die Parteien Berufung und Anschlussberufung eingelegt. Der Kläger erweiterte zudem seine Klage. Er forderte nun auch den Ersatz der Umsatzsteuer in der Höhe, wie sie in dem Privatgutachten ausgewiesen wird. Dies begründete er damit, dass er bei der Ersatzbeschaffung tatsächlich Umsatzsteuer bezahlt habe.  

Das Landgericht Limburg reduzierte die Höhe des Schadensersatzes auf den Nettobetrag der Vergleichswerkstatt wie von den Beklagten berechnet. Gleichzeitig sprach es dem Kläger jedoch einen Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer bezüglich der angesetzten Reparaturkosten zu.

Mit der Revision verfolgte der Kläger seinen Anspruch bezüglich der weitergehenden Reparaturkosten und Umsatzsteuer weiter.

Beurteilungszeitpunkt für Schadensberechnung

Der BGH entschied nun, dass die hypothetischen Reparaturkosten zu gering angesetzt wurden. Das LG habe Rechtsgrundsätze der Schadenbemessung verkannt.

Die Höhe des Schadensersatzes richte sich grundsätzlich nach den Werteverhältnissen im Zeitpunkt der vollständigen Erfüllung. Nur im Fall der konkreten Abrechnung sei auf die Umstände des Zeitpunkts abzustellen, in welchem die Herstellung des Zustands, der ohne Eintritt des zum Ersatz verpflichtenden Umstands – etwa einem Unfall – bestehen würde, tatsächlich erfolgte. Das LG stützte sich auf den Zeitpunkt der Gutachtenerstellung im Auftrag des Klägers als maßgeblichen Zeitpunkt. Dieser Ansicht widersprach der BGH. Danach sei in einem Rechtsstreit auf den prozessual letztmöglichen Beurteilungszeitpunkt abzustellen, hier die letzte mündliche Tatsachenverhandlung. Somit hätte unter anderem auch die Anhebung der Stundenverrechnungssätze bei der Vergleichswerkstatt berücksichtigt werden müssen. Hierzu seien noch weitere Feststellungen erforderlich.

Keine Umsatzsteuer bei fiktiver Abrechnung

Zudem habe der Kläger derzeit keinen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Umsatzsteuer.

Grundsätzlich bestehen bei Fahrzeugschäden zwei Möglichkeiten der Schadenbeseitigung: entweder die Reparatur oder eine Ersatzbeschaffung. Hierfür kann der Geschädigte auch den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Der Geschädigte hat dabei die Art der Schadensbehebung mit dem geringsten Aufwand zu wählen. Nur der hierfür angesetzte Betrag wird als erforderlich angesehen. Wählt er den aufwändigeren (und teureren) Weg, so wird der Ersatzanspruch „der Höhe nach auf den nach Maßgabe des Wirtschaftlichkeitspostulats erforderlichen niedrigeren Betrag beschränkt.“ In unserem Fall bedeute dies, dass die Kosten der Ersatzbeschaffung nur bis zur Höhe der hypothetisch erforderlichen Reparaturkosten ersatzfähig seien.

Die Ersatzbeschaffung und die Reparatur sind gleichwertige Arten der Schadensbehebung. Sie begründen lediglich unterschiedliche Arten der Schadensberechnung. So sei es auch bei der Frage, ob fiktiv abgerechnet oder die konkret angefallenen Kosten erstattet werden sollen. Eine Vermengung der Berechnungsarten sei unzulässig, wie auch in dem aktuelleren Urteil nochmals klargestellt wurde.

Keine Benachteiligung des Geschädigten

Der Geschädigte werde durch dieses Vermischungsverbot auch nicht benachteiligt. Es handele sich um eine gesetzlich beabsichtigte Beschränkung der Dispositionsfreiheit der Geschädigten. Diesen sei aber nach wie vor – bei Beachtung der rechtlichen Voraussetzungen und der Verjährung – ein Umschwenken auf die konkrete Abrechnung inkl. Umsatzsteuer möglich. Dies gelte auch dann, wenn die tatsächlich durchgeführte Wiederherstellungsmaßnahme dem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht entspricht. So liegt es auch in unserem Fall. Ein Umschwenken des Geschädigten auf die konkrete Abrechnung sei noch möglich. Der Anspruch auf Schadensersatz werde dann lediglich auf die hypothetisch erforderlichen Reparaturkosten gedeckelt, die diesbezügliche Umsatzsteuer sei jedoch auch erfasst.

Der BGH verwies die Sache daher unter teilweiser Urteilsaufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.  

Wenn wir mit diesem Beitrag Ihr Interesse geweckt haben, schauen Sie auch gerne in unsere weiteren Blogeinträge. Sollten Sie in einer ähnlichen Fallkonstellation selbst betroffen sein, melden Sie sich. Eine fernmündliche Ersteinschätzung seitens unseres Teams ist für Sie kostenfrei.

Diesmal befassen wir uns mit dem „Vorgänger“ zu dem in unserem Blogbeitrag vom 31.08.22 besprochenen Urteil. Wieder geht es um die Frage der Ersatzfähigkeit von gezahlter Umsatzsteuer bei fiktiver Abrechnung. Der BGH hat sich in dem Urteil vom 12.10.2021 (Az: VI ZR 513/19) jedoch auch zur Höhe der hypothetischen Reparaturkosten geäußert, insbesondere wenn nicht der günstigste Weg zur Schadensbeseitigung von dem Geschädigten gewählt wird.

Darum geht es

Im Januar 2017 kam es zu einem Unfallereignis, bei welchem das Fahrzeug des Klägers beschädigt wurde. Die volle Haftung der beiden Beklagten ist in der Revisionsinstanz unstreitig. Die beklagte Versicherung regulierte den Schaden an dem klägerischen Fahrzeug zunächst nur zur Hälfte. Grundlage der Schadensberechnung war ein von dem Kläger eingeholtes Privatgutachten, welches Reparaturkosten von knapp 5.300 € netto ansetzte. Die Versicherung verwies den Kläger auf eine Vergleichswerkstatt, in welcher günstigere Stundenverrechnungssätze angesetzt wurden. Auf dieser fiktiven Basis erfolgte dann die hälftige Zahlung der beklagtenseits angenommenen Reparaturkosten von etwa 4.500 €. Nach der Gutachtenerstellung durch den Kläger wurden die Stundensätze der Vergleichswerkstatt jedoch angehoben. Diese Erhöhung blieb bei der Berechnung der Beklagten außer Betracht.

Der Kläger forderte nun klageweise den Ersatz der restlichen Reparaturkosten, wie sie in dem Privatgutachten ausgewiesen waren. Während des Rechtsstreits beschaffte er sich ein Ersatzfahrzeug zum Preis von 17.990€ inkl. Umsatzsteuer in Höhe von knapp 2.900 €.  

Ansichten der Vorinstanzen

Das Amtsgericht Limburg hatte den zu ersetzenden Schaden auf einen Mittelwert zwischen den von den Parteien vorgebrachten Beträgen geschätzt. Es verurteilte die Beklagten zur Zahlung weiteren Schadensersatzes bis zu der geschätzten Höhe.

Insbesondere im Hinblick auf die Schadenschätzung haben die Parteien Berufung und Anschlussberufung eingelegt. Der Kläger erweiterte zudem seine Klage. Er forderte nun auch den Ersatz der Umsatzsteuer in der Höhe, wie sie in dem Privatgutachten ausgewiesen wird. Dies begründete er damit, dass er bei der Ersatzbeschaffung tatsächlich Umsatzsteuer bezahlt habe.  

Das Landgericht Limburg reduzierte die Höhe des Schadensersatzes auf den Nettobetrag der Vergleichswerkstatt wie von den Beklagten berechnet. Gleichzeitig sprach es dem Kläger jedoch einen Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer bezüglich der angesetzten Reparaturkosten zu.

Mit der Revision verfolgte der Kläger seinen Anspruch bezüglich der weitergehenden Reparaturkosten und Umsatzsteuer weiter.

Beurteilungszeitpunkt für Schadensberechnung

Der BGH entschied nun, dass die hypothetischen Reparaturkosten zu gering angesetzt wurden. Das LG habe Rechtsgrundsätze der Schadenbemessung verkannt.

Die Höhe des Schadensersatzes richte sich grundsätzlich nach den Werteverhältnissen im Zeitpunkt der vollständigen Erfüllung. Nur im Fall der konkreten Abrechnung sei auf die Umstände des Zeitpunkts abzustellen, in welchem die Herstellung des Zustands, der ohne Eintritt des zum Ersatz verpflichtenden Umstands – etwa einem Unfall – bestehen würde, tatsächlich erfolgte. Das LG stützte sich auf den Zeitpunkt der Gutachtenerstellung im Auftrag des Klägers als maßgeblichen Zeitpunkt. Dieser Ansicht widersprach der BGH. Danach sei in einem Rechtsstreit auf den prozessual letztmöglichen Beurteilungszeitpunkt abzustellen, hier die letzte mündliche Tatsachenverhandlung. Somit hätte unter anderem auch die Anhebung der Stundenverrechnungssätze bei der Vergleichswerkstatt berücksichtigt werden müssen. Hierzu seien noch weitere Feststellungen erforderlich.

Keine Umsatzsteuer bei fiktiver Abrechnung

Zudem habe der Kläger derzeit keinen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Umsatzsteuer.

Grundsätzlich bestehen bei Fahrzeugschäden zwei Möglichkeiten der Schadenbeseitigung: entweder die Reparatur oder eine Ersatzbeschaffung. Hierfür kann der Geschädigte auch den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Der Geschädigte hat dabei die Art der Schadensbehebung mit dem geringsten Aufwand zu wählen. Nur der hierfür angesetzte Betrag wird als erforderlich angesehen. Wählt er den aufwändigeren (und teureren) Weg, so wird der Ersatzanspruch „der Höhe nach auf den nach Maßgabe des Wirtschaftlichkeitspostulats erforderlichen niedrigeren Betrag beschränkt.“ In unserem Fall bedeute dies, dass die Kosten der Ersatzbeschaffung nur bis zur Höhe der hypothetisch erforderlichen Reparaturkosten ersatzfähig seien.

Die Ersatzbeschaffung und die Reparatur sind gleichwertige Arten der Schadensbehebung. Sie begründen lediglich unterschiedliche Arten der Schadensberechnung. So sei es auch bei der Frage, ob fiktiv abgerechnet oder die konkret angefallenen Kosten erstattet werden sollen. Eine Vermengung der Berechnungsarten sei unzulässig, wie auch in dem aktuelleren Urteil nochmals klargestellt wurde.

Keine Benachteiligung des Geschädigten

Der Geschädigte werde durch dieses Vermischungsverbot auch nicht benachteiligt. Es handele sich um eine gesetzlich beabsichtigte Beschränkung der Dispositionsfreiheit der Geschädigten. Diesen sei aber nach wie vor – bei Beachtung der rechtlichen Voraussetzungen und der Verjährung – ein Umschwenken auf die konkrete Abrechnung inkl. Umsatzsteuer möglich. Dies gelte auch dann, wenn die tatsächlich durchgeführte Wiederherstellungsmaßnahme dem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht entspricht. So liegt es auch in unserem Fall. Ein Umschwenken des Geschädigten auf die konkrete Abrechnung sei noch möglich. Der Anspruch auf Schadensersatz werde dann lediglich auf die hypothetisch erforderlichen Reparaturkosten gedeckelt, die diesbezügliche Umsatzsteuer sei jedoch auch erfasst.

Der BGH verwies die Sache daher unter teilweiser Urteilsaufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.  

Wenn wir mit diesem Beitrag Ihr Interesse geweckt haben, schauen Sie auch gerne in unsere weiteren Blogeinträge. Sollten Sie in einer ähnlichen Fallkonstellation selbst betroffen sein, melden Sie sich. Eine fernmündliche Ersteinschätzung seitens unseres Teams ist für Sie kostenfrei.

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