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Ersatzfähiger Haushaltsführungsschaden

Ersatzfähiger Haushaltsführungsschaden

Auch der Verlust der Fähigkeit, weiterhin Haushaltsarbeiten zu verrichten, kann einen ersatzfähigen Schaden darstellen. Insbesondere mit der Frage der Feststellung dieses Verlustes und dessen Umfang hat sich das Oberlandesgericht Saarbrücken in dem Urteil vom 20.04.2023 (Az: 3 U 7/23) befasst.

Was ist passiert?

Die Klägerin wurde bei einem Verkehrsunfall am 01.12.2016 an der Lendenwirbelsäule verletzt (instabile Fraktur des Lendenwirbelkörpers). Die alleinige Einstandspflicht der beklagten Versicherung ist unstreitig. Die Verletzung musste operativ behandelt werden; dabei wurde unter anderem ein Teil der Wirbelsäule versteift. Vom 01. – 14.12.2016 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung. Sie musste einige Monate lang ein Stützkorsett getragen, es folgte zudem eine stationäre Reha-Maßnahme. Erst am 23.04.2017 konnte sie ihre Arbeit als kaufmännische Angestellte wieder aufnehmen. Vorgerichtlich zahlte die Beklagte an die Klägerin unter anderem Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 EUR und ca. 2.900 EUR für Haushaltsführungsschäden.

Mit der Klage versuchte die Klägerin – neben weiterem Schmerzensgeld – auch, den Anspruch auf Ersatz der Haushaltsführungsschäden in größerem Umfang durchzusetzen. So verlangte sie etwa eine monatliche Haushaltsführungsrente in Höhe von gut 300 EUR. Das Landgericht gab ihrer Klage jedoch nur in geringem Umfang statt. Für die Zeit ab dem 5.6.2017 könne die Klägerin keinen Ersatz des Haushaltsführungsschadens verlangen. Seit diesem Zeitpunkt sei sie in der Lage, die noch fortbestehende haushaltsspezifische Minderung der Erwerbstätigkeit (MdE) von 15 % durch Umorganisation oder den Einsatz technischer Hilfsmittel vollständig zu kompensieren.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Berufung. Das Berufungsgericht sprach der Klägerin – neben zusätzlichen 5.000 EUR Schmerzensgeld – auch weiteren Ersatz für Haushaltsführungsschäden zu.

Haushaltsführungsschaden – was ist das?

Der Verlust der Fähigkeit, weiterhin Hausarbeiten zu verrichten, stellt einen ersatzfähigen Schaden dar. Diente die Hausarbeit als Beitrag zum Familienunterhalt, stellt er einen Erwerbsschaden dar, diente er den eigenen Bedürfnissen des Verletzten, als Vermehrung der Bedürfnisse (§ 843 Abs. 1 BGB). Messbar ist er an der Entlohnung, die für die verletzungsbedingt selbst nicht mehr ausführbaren Hausarbeiten an eine Hilfskraft gezahlt wird oder werden müsste. Dafür ist festzustellen, welche Hausarbeiten der Verletzte vor dem Schadensfall verrichtete. Zudem ist zu klären, inwieweit ihm diese Arbeiten nun nicht mehr möglich oder zumutbar sind. Außerdem ist zu ermitteln, für wie viele Stunden in der Folge eine Hilfskraft benötigt wird oder würde.

Entscheidend für den ersatzfähigen Haushaltsführungsschaden ist die konkrete haushaltsspezifische Behinderung des Geschädigten. Damit ist die Frage gemeint, in welchem Umfang er bei der Ausübung der von ihm übernommenen Haushaltstätigkeiten verletzungsbedingt gehindert ist.

Haushaltsspezifische Minderung der Erwerbsfähigkeit

Die Klägerin hatte vor dem Verkehrsunfall ca. 21 Stunden in der Woche (drei Stunden täglich) im Haushalt gearbeitet. Auf Basis eines Sachverständigengutachtens ging das Oberlandesgericht wie auch das Landgericht von einer dauerhaften haushaltsspezifischen MdE von 15 % aus. Die Funktionseinschränkung resultiere im vorliegenden Fall aus einem komplexen Zusammenwirken verschiedener Unfallfolgen im Bereich der Wirbelsäule. Unfallbedingt bewegungsabhängige Schmerzen im oberen Lendenwirbelsäulenbereich seien plausibel. Zudem liege durch die Versteifung eine Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule vor. Die Einschränkungen wurden durch den Sachverständigen im Einzelnen ausgeführt.

Der Sachverständige hatte die haushaltsspezifische MdE „abstrakt“ ohne Einzelbewertung für einzelne Tätigkeiten ermittelt. Nach dem Oberlandesgericht begegnet dies im Rahmen der Schadensermittlung nach § 287 ZPO keinen Bedenken. Ohnehin sei eine exakte Definition von Einschränkungen in einzelnen Tätigkeiten im Einzelfall nicht möglich. Eine weitere Aufschlüsselung sei angesichts der nachgewiesenen Bewegungseinschränkungen auch nicht geboten.

Keine Vermutung der Kompensationsmöglichkeit

Das Oberlandesgericht folgte jedoch nicht der allgemeinen Vermutung, dass der Schaden wegen Geringfügigkeit der haushaltsspezifischen MdE vollständig kompensiert werden könne. Die Geringfügigkeitsgrenze werde im Allgemeinen in dem Bereich zwischen 10 % und 20 % angesetzt. Die haushaltsspezifische MdE der Klägerin von 15 % liegt nach dem Oberlandesgericht oberhalb dieser Grenze.

Der Haushalt der Klägerin war schon vor dem Unfall mit den üblichen technischen Gerätschaften ausgestattet. Eine Kompensation über den Einsatz solcher kam daher nicht Betracht. Auch Kompensation durch Umorganisation schied vorliegend aus. Der Ehemann der Klägerin habe bislang die schwereren Arbeiten im Haushalt übernommen. Eine Übernahme dieser durch die Klägerin im Zuge einer Umorganisation erscheine nicht zumutbar. Die einseitige Übernahme weiterer Haushaltstätigkeiten durch den Ehemann entlaste die Beklagte nicht.

Das Oberlandesgericht hat der Klägerin daher bis zur Vollendung ihres 75. Lebensjahrs einen (weiteren) Haushaltsführungsschaden zuerkannt. Dieser beläuft sich hier laut dem Urteil auf monatlich 135 EUR (Stundensatz: 10 EUR) bzw. vierteljährlich 405 EUR.

Wenn wir mit diesem Beitrag Ihr Interesse geweckt haben, schauen Sie auch gerne in unsere weiteren Blogeinträge. Sollten Sie in einer ähnlichen Fallkonstellation selbst betroffen sein, melden Sie sich. Eine fernmündliche Ersteinschätzung seitens unseres Teams ist für Sie kostenfrei.

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Die Klägerin wurde bei einem Verkehrsunfall am 01.12.2016 an der Lendenwirbelsäule verletzt (instabile Fraktur des Lendenwirbelkörpers). Die alleinige Einstandspflicht der beklagten Versicherung ist unstreitig. Die Verletzung musste operativ behandelt werden; dabei wurde unter anderem ein Teil der Wirbelsäule versteift. Vom 01. – 14.12.2016 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung. Sie musste einige Monate lang ein Stützkorsett getragen, es folgte zudem eine stationäre Reha-Maßnahme. Erst am 23.04.2017 konnte sie ihre Arbeit als kaufmännische Angestellte wieder aufnehmen. Vorgerichtlich zahlte die Beklagte an die Klägerin unter anderem Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 EUR und ca. 2.900 EUR für Haushaltsführungsschäden.

Mit der Klage versuchte die Klägerin – neben weiterem Schmerzensgeld – auch, den Anspruch auf Ersatz der Haushaltsführungsschäden in größerem Umfang durchzusetzen. So verlangte sie etwa eine monatliche Haushaltsführungsrente in Höhe von gut 300 EUR. Das Landgericht gab ihrer Klage jedoch nur in geringem Umfang statt. Für die Zeit ab dem 5.6.2017 könne die Klägerin keinen Ersatz des Haushaltsführungsschadens verlangen. Seit diesem Zeitpunkt sei sie in der Lage, die noch fortbestehende haushaltsspezifische Minderung der Erwerbstätigkeit (MdE) von 15 % durch Umorganisation oder den Einsatz technischer Hilfsmittel vollständig zu kompensieren.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Berufung. Das Berufungsgericht sprach der Klägerin – neben zusätzlichen 5.000 EUR Schmerzensgeld – auch weiteren Ersatz für Haushaltsführungsschäden zu.

Haushaltsführungsschaden – was ist das?

Der Verlust der Fähigkeit, weiterhin Hausarbeiten zu verrichten, stellt einen ersatzfähigen Schaden dar. Diente die Hausarbeit als Beitrag zum Familienunterhalt, stellt er einen Erwerbsschaden dar, diente er den eigenen Bedürfnissen des Verletzten, als Vermehrung der Bedürfnisse (§ 843 Abs. 1 BGB). Messbar ist er an der Entlohnung, die für die verletzungsbedingt selbst nicht mehr ausführbaren Hausarbeiten an eine Hilfskraft gezahlt wird oder werden müsste. Dafür ist festzustellen, welche Hausarbeiten der Verletzte vor dem Schadensfall verrichtete. Zudem ist zu klären, inwieweit ihm diese Arbeiten nun nicht mehr möglich oder zumutbar sind. Außerdem ist zu ermitteln, für wie viele Stunden in der Folge eine Hilfskraft benötigt wird oder würde.

Entscheidend für den ersatzfähigen Haushaltsführungsschaden ist die konkrete haushaltsspezifische Behinderung des Geschädigten. Damit ist die Frage gemeint, in welchem Umfang er bei der Ausübung der von ihm übernommenen Haushaltstätigkeiten verletzungsbedingt gehindert ist.

Haushaltsspezifische Minderung der Erwerbsfähigkeit

Die Klägerin hatte vor dem Verkehrsunfall ca. 21 Stunden in der Woche (drei Stunden täglich) im Haushalt gearbeitet. Auf Basis eines Sachverständigengutachtens ging das Oberlandesgericht wie auch das Landgericht von einer dauerhaften haushaltsspezifischen MdE von 15 % aus. Die Funktionseinschränkung resultiere im vorliegenden Fall aus einem komplexen Zusammenwirken verschiedener Unfallfolgen im Bereich der Wirbelsäule. Unfallbedingt bewegungsabhängige Schmerzen im oberen Lendenwirbelsäulenbereich seien plausibel. Zudem liege durch die Versteifung eine Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule vor. Die Einschränkungen wurden durch den Sachverständigen im Einzelnen ausgeführt.

Der Sachverständige hatte die haushaltsspezifische MdE „abstrakt“ ohne Einzelbewertung für einzelne Tätigkeiten ermittelt. Nach dem Oberlandesgericht begegnet dies im Rahmen der Schadensermittlung nach § 287 ZPO keinen Bedenken. Ohnehin sei eine exakte Definition von Einschränkungen in einzelnen Tätigkeiten im Einzelfall nicht möglich. Eine weitere Aufschlüsselung sei angesichts der nachgewiesenen Bewegungseinschränkungen auch nicht geboten.

Keine Vermutung der Kompensationsmöglichkeit

Das Oberlandesgericht folgte jedoch nicht der allgemeinen Vermutung, dass der Schaden wegen Geringfügigkeit der haushaltsspezifischen MdE vollständig kompensiert werden könne. Die Geringfügigkeitsgrenze werde im Allgemeinen in dem Bereich zwischen 10 % und 20 % angesetzt. Die haushaltsspezifische MdE der Klägerin von 15 % liegt nach dem Oberlandesgericht oberhalb dieser Grenze.

Der Haushalt der Klägerin war schon vor dem Unfall mit den üblichen technischen Gerätschaften ausgestattet. Eine Kompensation über den Einsatz solcher kam daher nicht Betracht. Auch Kompensation durch Umorganisation schied vorliegend aus. Der Ehemann der Klägerin habe bislang die schwereren Arbeiten im Haushalt übernommen. Eine Übernahme dieser durch die Klägerin im Zuge einer Umorganisation erscheine nicht zumutbar. Die einseitige Übernahme weiterer Haushaltstätigkeiten durch den Ehemann entlaste die Beklagte nicht.

Das Oberlandesgericht hat der Klägerin daher bis zur Vollendung ihres 75. Lebensjahrs einen (weiteren) Haushaltsführungsschaden zuerkannt. Dieser beläuft sich hier laut dem Urteil auf monatlich 135 EUR (Stundensatz: 10 EUR) bzw. vierteljährlich 405 EUR.

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