Alles nur Ansichtssache? Die Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen stellt ein immer wiederkehrendes Problem im Versicherungsrecht dar. Es geht wieder einmal um eine Auslandsreisekrankenversicherung als Nebenprodukt eines Kreditkartenvertrags. Mit einem solchen Konstrukt befassten wir uns zuletzt in dem Blogbeitrag vom 11.10.2024. Nun hat sich das Oberlandesgericht Bremen mit Hinweisbeschluss vom 21.08.2024 (Az: 3 U 46/23) mit dem bedingungsgemäßen Versicherungsfall auseinandergesetzt.
Kredit und mehr
Der Kläger ist Inhaber einer „Platinum Card“ eines Kreditkartenunternehmens. Über den Kreditkartenvertrag ist er versicherte Person in einem Gruppenversicherungsvertrag des Unternehmens mit der Beklagten. In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) finden sich auch Regelungen über eine Auslandsreisekrankenversicherung. Versicherungsschutz wird ausweislich der Überschrift in den AVB zum Abschnitt III nur in Verbindung mit einem Karteneinsatz gewährt. Die „Reise“ wird in den AVB wie folgt definiert:
„Reise“ bedeutet: Eine mit Ihrer A. Plantinum Card gezahlte Reise außerhalb Ihres Heimatlandes oder eine mit Ihrer A. Plantinum Card gezahlte Reise innerhalb Ihres Heimatlandes, die einen Flug oder mindestens eine zuvor gebuchte Übernachtung außerhalb Ihres Heims einschließt.
Geleistet soll unter anderem werden für „notwendige medizinische, chirurgische und Krankenhauskosten, die sich daraus ergeben, dass Sie während Ihrer Reise krank oder verletzt werden.“
Krank im Urlaub
Der Kläger reiste mit seiner Ehefrau in die USA. Er buchte seine Flüge unter Nutzung seiner „Platinum Card“, nicht jedoch die Flüge seiner Frau. Diese zahlte ihre Flüge und alle weiteren Reiseleistungen selbst unter Nutzung einer anderen Karte. Die Frau erkrankte während des Urlaubs schwer und musste in den USA stationär in ein Krankenhaus aufgenommen und operiert werden. Dabei entstanden Kosten von knapp 32.000 USD, die der Kläger und seine Frau zunächst aus eigenen Mitteln beglichen. Die Behandlungskosten verlangte der Kläger von der Beklagten ersetzt, diese verneinte eine Einstandspflicht jedoch.
Das Landgericht wies die Klage ab. Nur aufgrund des Angehörigenstatus bestünde kein Versicherungsschutz bei der Beklagten.
Das Oberlandesgericht wies nun darauf hin, dass das Urteil des Landgerichts im Ergebnis zutreffend sei. Es fehle am Vorliegen eines bedingungsgemäßen Versicherungsfalls. In der Person des Klägers fehle es an einer Erkrankung oder Verletzung, diese lag lediglich bei der Ehefrau vor. Hinsichtlich der Ehefrau sei jedoch keine bedingungsgemäße Reise gegeben. Unstreitig seien keine (Reise-)Leistungen für sie mit der „Platinum Card“ des Klägers bezahlt worden. Die so zu verstehenden AVB-Regelungen seien Vertragsbestandteil geworden und wirksam.
AVB-Prüfung
Bei der AVB-Auslegung ist auf die Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers abzustellen. Liegt – wie hier – ein Gruppenversicherungsvertrag vor, so kommt es auch auf die Verständnismöglichkeiten durchschnittlicher Versicherter und ihre Interessen an.
Auf dieser Grundlage sei klar, dass Versicherungsschutz nur gewährt werden soll, wenn die (Reise-)Leistung unter Nutzung der Kreditkarte bezahlt wurde. Anders formuliert: Auch für die Reiseteilnehmer (hier: die Ehefrau) müsse die Kreditkarte zur Zahlung (Flug oder Übernachtung betreffend) eingesetzt werden. Dann komme auch für Teilnehmer Versicherungsschutz in Betracht. Diese Einschränkung sei weder überraschend (§ 305c Abs. 1 BGB) noch intransparent (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB).
Überraschend wäre eine solche Einschränkung allenfalls in einem direkten Versicherungsvertrag ohne Kreditkartenbezug. Bei der hiesigen Reisekrankenversicherung handele es sich jedoch um ein Nebenprodukt eines Kreditkartenvertrags. Die angebotenen Versicherungsleistungen sollten (auch) einen Anreiz zur Kreditkartennutzung darstellen. Die AVB würden daher Versicherungsleistungen mit und ohne Karteneinsatz nennen. Bei der Reisekrankenversicherung sei der erforderliche Karteneinsatz jedoch klar definiert.
Vertragsfreiheit zu beachten
Ein weiteres Verständnis der AVB-Regelung würde zudem dem Grundsatz der Privatautonomie nicht gerecht werden. Den Vertragsparteien ist es grundsätzlich freigestellt, Leistung und Gegenleistung zu bestimmten, auch hinsichtlich Versicherungsvertragsverhältnissen. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer sei erkennbar, dass die Beklagte nicht bei jeder Reise unter anderem Krankenversicherungsschutz gewährt. Es werde deutlich, dass dies nur bei einer Reise gilt, die mit der Kreditkarte bezahlt wurde. Den AVB lasse sich nicht entnehmen, dass nur die Teilnahme an einer bedingungsgemäßen Reise Versicherungsschutz begründet.
Der Kläger nahm die Berufung nach Erteilung des Hinweises zurück.
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