Wenn ein Metallteil an den Stoßfänger geschleudert wird, verheißt das nichts Gutes. Das Landgericht Stuttgart hat sich in dem Urteil vom 14.06.2022 (Az: 12 O 270/21) mit einem solchen Geschehen befasst. Dort ging es insbesondere um die Frage, wann die Haftung hinsichtlich des vorausfahrenden unfallbeteiligten Fahrzeugs angenommen werden kann.
Zum Unfallgeschehen
Der Zeuge K. fuhr mit dem Porsche des Klägers auf der Autobahn hinter einem bei der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung versicherten Mercedes-Benz. Nach dem Vorbringen des Klägers fiel von dem Mercedes ein etwa 10 cm langes Metallteil ab oder wurde aufgewirbelt. Dieses sei unter dem Mercedes hervorgeflogen und an die linke untere Fahrzeugschürze bzw. den Stoßfänger seins Fahrzeugs geschleudert worden. Dadurch sei ein Schaden in Höhe von rund 5.000 EUR entstanden. Von der Beklagten verlangte er die Erstattung dieses Schadens.
Entscheidung des Landgerichts
Der gerichtlich bestellte Sachverständige bestätigte die Darstellung des Klägers in technischer Hinsicht. Danach habe ein 5 – 10 cm großes Metallteil den Porsche vorne links getroffen. Zwischen den Fahrzeugen habe zum Unfallzeitpunkt ein Abstand von maximal 50 Metern bestanden. Das Gericht hielt die Aussage des Zeugen K. für glaubhaft und K., den Sohn des Klägers, auch für glaubwürdig. Es gebe keine Anhaltspunkte, die für eine Belastungstendenz bei dem Kläger oder seinem Sohn sprechen würden. Insbesondere unterhalte der Kläger bei der Beklagten für den Porsche eine Vollkaskoversicherung. Insofern gehe es für den Kläger lediglich um einen eventuellen Selbstbehalt und eine etwaige Rückstufung bei dem Schadensfreiheitsrabatt. Dies spreche nicht dafür, dass Kläger und Sohn sich der Gefahr einer falschen Verdächtigung eines anderen Verkehrsteilnehmers aussetzen würden.
Alternative Geschehensabläufe
Im Weiteren setzte sich das Landgericht mit den möglichen Geschehensabläufen und der Vermeidbarkeit des Unfalls für den Mercedesfahrer auseinander. Im Falle des Überfahrens und Aufwirbelns des Metallteils sei von der Unvermeidbarkeit gemäß § 17 Abs. 3 StVG auszugehen. Der Mercedesfahrer hätte das Metallteil unter den gegebenen Umständen (Dämmerung, dunkles Metallteil auf Asphalt) nicht so rechtzeitig erkennen können, dass ein Ausweichen noch möglich gewesen wäre.
Bei der Alternative des Abfallens des Metallteils von dem Fahrzeug sei der Nachweis der Unvermeidbarkeit hingegen nicht geführt. Das Abfallen eines Teils der Unterbodenverkleidung vom Fahrzeug hätte zwar unbemerkt erfolgen können. Ein Idealfahrer würde das Herabfallen eines Teils der Unterbodenkonstruktion jedoch durch regelmäßige Wartungen effektiv verhindern. Dass es zu einer entsprechenden Wartung vor dem Schadensereignis gekommen sei, habe die Beklagte nicht vorgetragen.
Die Möglichkeit des Abfallens des Metallteils könne nicht ausgeschlossen werden, weil der Mercedes zur Begutachtung nicht mehr zur Verfügung stehe. Dies gehe zu Lasten der hinsichtlich der Unvermeidbarkeit beweispflichtigen Beklagten. So hätte etwa vor dem Verkauf des Fahrzeugs noch eine Beweissicherung erfolgen können.
Kein Haftungsausschluss wegen Unaufklärbarkeit
Die Unaufklärbarkeit des genauen Geschehensablaufs führe nicht zu einem Ausschluss der Haftung nach § 17 Abs. 3 StVG. Das Landgericht begründete dies maßgeblich damit, dass die Haftung nach § 7 StVG eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung darstellt. Allein mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs wird eine Gefahrenquelle eröffnet. Alle durch ein Kraftfahrzeug beeinflussten Schäden sollen von dieser Gefährdungshaftung erfasst werden. Der Geschädigte müsse daher nur beweisen, dass der Schaden kausal auf den Betrieb eines Kraftfahrzeugs zurückzuführen ist. Steht dies fest, müsse er gerade nicht die genaue Ursache beweisen. Der Anspruchsgegner hat die Unvermeidbarkeit nach § 17 Abs. 3 StVG darzulegen und zu beweisen. Verlangte man von dem Geschädigten auch den Beweis der genauen Schadensursache, würde dies eine gesetzlich nicht vorgesehene Beweislastverschiebung darstellen.
Haftung in vollem Umfang
Für den Sohn des Klägers sei das Schadensereignis hingegen unvermeidbar gewesen im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG. Nach den Angaben des Sachverständigen sei ein Ausweichen bei dem Abstand von maximal 50 Metern nicht mehr möglich gewesen. Zudem sei die Flugbahn des Metallteils auch nicht kontrollierbar und unvorhersehbar gewesen. Auch sei es für einen Idealfahrer nicht möglich, bei 100 km/h auf der Mittelspur im Berufsverkehr durch plötzliche Lenkbewegungen auszuweichen.
Das Landgericht entschied auf dieser Basis, dass die Beklagte zu 100 % für die eingetretenen Schäden haftet. Es verurteilte die Beklagte somit zur Zahlung der erwarteten Reparaturkosten in Höhe von gut 5.000 EUR an den Kläger.
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