Kann man nach einem Unwetter mit erheblichem Starkregen davon ausgehen, dass in ein Gebäude eingedrungenes Wasser auf einer Überschwemmung beruht? Diese Frage beantwortete das Landgericht Hagen mit Urteil vom 06.03.2024 (Az: 10 O 98/23) in einem Rechtsstreit die Wohngebäudeversicherung betreffend.
Umfang der Wohngebäudeversicherung
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung für das auf seinem Grundstück befindliche Einfamilienhaus samt Garagen, Carports und Nebengebäude. Diese umfasst auch eine Elementarversicherung. Nach den Versicherungsbedingungen leistet die Beklagte insbesondere Entschädigung für versicherte Sachen, die durch die unmittelbare Einwirkung einer Überschwemmung beschädigt werden. Das Elementarschadenereignis Überschwemmung wird dort definiert als die Überflutung des Grund und Bodens, auf dem das versicherte Gebäude liegt, durch Ausuferung von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Binnengewässern, Witterungsniederschlägen oder Austritt von Grundwasser an die Erdoberfläche infolge eines der beiden vorgenannten Ereignisse. Vorliegend nicht versichert sind ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen Schäden durch Grundwasser, das nicht an die Erdoberfläche gedrungen ist.
Das ist passiert
Am 14.07.2021 kam es zu einer extremen Unwetterlage mit erheblichem Starkregen (s. hierzu auch Blogbeitrag vom 15.01.2024). Dies betraf (auch) die Region, in der das klägerische Grundstück belegen ist. Während des Unwetters stand – letztlich unstreitig zwischen den Parteien – zu keiner Zeit sichtbar Wasser auf dem Grundstück. Am Folgetag stellte der Kläger das Eindringen von Wasser in den Keller des versicherten Hauses fest. Infolge dieses Eindringens kam es zu Schäden an dem Gebäude, es besteht erheblicher Sanierungsbedarf.
Am selben Tag meldete der Kläger den Schaden an das beklagte Versicherungsunternehmen. Die Beklagte lehnte die Regulierung ab, weil nicht von einer Überschwemmung und folglich nicht von einem Versicherungsfall ausgegangen werden könne. In der Folge wurden sowohl vom Kläger als auch von der Beklagten verschiedene andere Ursachen für das Eindringen von Wasser untersucht. Für einen Rohrbruch auf dem Nachbargrundstück fanden sowohl die Gemeinde als auch ein beklagtenseits beauftragter Sachverständiger keinerlei Anhaltspunkte. Auch für einen Rückstauschaden ließen sich bei einem Ortstermin im September 2021 keine Anhaltspunkte feststellen. Der Sachverständige der Beklagten kam vielmehr zu dem Schluss, dass eine Erhöhung des Grundwasserspiegels schadensursächlich war. Auch die Gemeinde bestätigte dem Kläger gegenüber ein sogenanntes Grundhochwasser am 14.07.2021.
Aufgrund der wiederholten Ablehnung der Regulierung durch die Beklagte versuchte der Kläger diese nun mit der Klage zu erreichen. Dabei stellte er ausdrücklich (nur) auf den Eintritt einer Überschwemmung auf seinem Grundstück als Schadensursache ab.
Kein Anscheinsbeweis
Das Landgericht sah die Klage als unbegründet an. Der Kläger habe den Eintritt eines bedingungsgemäßen Versicherungsfalls in Form eines Überschwemmungsschadens schon nicht dargelegt und bewiesen.
Der Versicherungsnehmer müsse hierfür zunächst nachweisen, dass es vor dem Schadenseintritt Witterungsniederschläge gegeben hat. Dieser Nachweis ist im vorliegenden Fall unzweifelhaft erbracht. Im zweiten Schritt sei nachzuweisen, dass diese Niederschläge zu einer Überflutung des Grund und Bodens, auf dem sich das versicherte Gebäude befindet, geführt haben. Gelingt dies, müsse der Kläger noch nachweisen, dass die Überschwemmung (mit-)ursächlich für den Schadenseintritt am Gebäude gewesen ist.
Der klägerseits angeführte Anscheinsbeweis sei nicht anzuerkennen, es fehle an der erforderlichen Typizität des Geschehensablaufs. Nur weil eine Extremwetterlage bestand und sich anschließend Wasser in einem Kellerraum des versicherten Wohngebäudes befand, heiße das nicht, dass es mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zu einer bedingungsgemäßen Überschwemmung auf dem versicherten Grundstück gekommen sein muss. Ebenso gut seien alternative Sachverhalte denkbar, die zu dem Schaden geführt haben können, ohne dass ein versichertes Ereignis vorliegt. So komme ein Rückstau ebenso in Betracht wie angestiegenes, jedoch noch nicht an der Geländeoberfläche anfallendes Grundwasser.
Was ist eine „Überschwemmung“?
Allgemein versteht man unter einer Überschwemmung oder Überflutung eine zeitlich begrenzte Wasserbedeckung von normalerweise trockenen Landflächen. Der Bundesgerichtshof spricht von der Ansammlung einer erheblichen Wassermenge auf der Geländeoberfläche. Das bedeutet, dass Wasser eine gewisse Dauer auf dem Versicherungsgrundstück steht, also nicht in der Erde gebunden ist. Es muss nicht das gesamte versicherte Grundstück für die Annahme eines bedingungsgemäßen Überschwemmungsschadens überschwemmt sein. Eine Anreicherung des Erdbodens mit (Niederschlags- oder Grund-)Wasser bis zur Sättigungsgrenze reiche jedoch nicht für die Annahme einer Überschwemmung.
Eine solche Ansammlung von (stehendem) Wasser auf der Geländeoberfläche des Grundstücks habe vorliegend jedoch nicht vorgelegen. Nach mehreren unterschiedlichen Darstellungen habe der Kläger letztlich klargestellt, dass zu keinem Zeitpunkt Wasser auf seinem Grundstück „stand“. Er sprach im Folgenden von einer Durchfeuchtung des Bodens unterhalb der Versiegelung durch Steinplatten, die eine Wasseransammlung verhinderten. Dies spreche jedoch wiederum für ein Ansteigen des Grundwasserspiegels als Schadensursache.
Ansteigendes Grundwasser hier kein Versicherungsfall
Nach den Versicherungsbedingungen erstreckt sich der Versicherungsschutz gegen Überschwemmungen ausdrücklich nicht auf Schäden durch ansteigendes Grundwasser, das nicht an die Erdoberfläche gedrungen ist. Witterungsbedingt steigendes, aber im Erdboden gebundenes Grundwasser fällt unter die Anreicherung des Erdbodens mit Wasser bis zur Sättigungsgrenze. Da es vorliegenden an einem Austritt des Grundwassers an die Oberfläche fehlte, unterfalle der Grundhochwasserschaden nicht dem Versicherungsschutz.
Das Landgericht wies die Klage daher ab.
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