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Immer gut nachlesen!

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Bei der Riester-Rente gibt es einige Besonderheiten, über die die Versicherungsvertreter aufklären müssen. Ein Versicherungsnehmer sah sich von eben diesen Besonderheiten überrascht und forderte unter anderem die Rückerstattung der bisher gezahlten Prämien. Warum das Oberlandesgericht Zweibrücken mit Urteil vom 25.10.2023 (Az: 1 U 43/23) die Ansprüche des Versicherungsnehmers trotz fehlerhafter Beratung nicht zusprach, lesen Sie im Folgenden.

Was ist passiert?

Der Kläger hatte sich im Jahr 2013 von einem Versicherungsvertreter der beklagten Versicherung zu einer Basisrente und Berufsunfähigkeitsversicherung beraten lassen. Der Vertreter erstellte im Rahmen des Gesprächs einen Versicherungsvorschlag zum Abschluss einer Riester-Rente, die der Kläger anschließend beantragte. Vor Antragstellung hatte der Kläger das Produktinformationsblatt, die Versicherungsinformation und die Versicherungsbedingungen erhalten. Die Beklagte policierte den Vertrag schließlich gemäß Versicherungsschein vom 31.10.2013. Bis Februar 2022 erbrachte der Kläger Prämien- und Sonderzahlungen in Höhe von 77.176,96 EUR. Diese forderte der Kläger nun von der Beklagten zurück.

Der Kläger macht geltend, er sei im Vorfeld nicht hinreichend über die Besonderheiten der Riester-Rente aufgeklärt worden.  Darüber, dass diese nicht kündbar und die Auszahlung eines Rückkaufswerts ausgeschlossen ist, bei Renteneintritt kein Kapitalwahlrecht besteht und die Versicherung nicht vererbbar ist, habe ihn der Vertreter nicht informiert. Erst im Jahr 2021 habe er im Internet von den Nachteilen dieser Art der Altersvorsorge erfahren. Den Versicherungsschein hatte er nach Erhalt im Jahr 2013 nicht gelesen. Der Kläger behauptet, er hätte die Riester-Rente bei Kenntnis der Besonderheiten nicht abgeschlossen.

Klageabweisung in erster Instanz

Das Landgericht hat die Klage in erster Instanz abgewiesen. Zur Begründung führte es aus, es sei keine Beratungspflichtverletzung feststellbar.  Es sei naheliegend, dass der Kläger, der die Basisrente als gewünschtes Versicherungsprodukt vorgegeben habe, über die Besonderheiten informiert gewesen sei. In der Beratungsdokumentation und im Produktinformationsblatt sei aufgeführt, dass eine Kapitalwertauszahlung nicht möglich sei, sondern nur die Beitragsfreistellung. Auf der anderen Seite habe der Kläger nicht bewiesen, dass er nur eine generelle Beratung zur Altersvorsorge gewünscht habe.

Andere Ansicht – anderes Ergebnis?

Dieser Argumentation schloss sich das Oberlandesgericht in der Berufungsinstanz nicht an. Auch bei einer gewünschten Beratung nur zum Thema Basisrente bestünden Beratungspflichten. Die Besonderheiten der Riester-Rente müssten dem Versicherungsnehmer erläutert werden. Die fehlende Kündbarkeit, Kapitalisierbarkeit und Vererbbarkeit stellten Abweichungen von üblichen Altersvorsorge-Versicherungsprodukten dar, die für den Versicherungsnehmer wesentlich und entscheidungserheblich sind. Eine ausdrückliche dahingehende Information des Klägers lasse sich der Beratungsdokumentation nicht entnehmen. Den möglichen Nachweis, dass eine hinreichende Beratung dennoch erfolgte, sei der Beklagten nicht gelungen.

Anspruch besteht…

Grundsätzlich stehe dem Kläger daher aufgrund des Beratungsfehlers ein Schadensersatzanspruch hinsichtlich der gezahlten Prämien zu. Es sei davon auszugehen, dass er den Versicherungsvertrag bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht geschlossen hätte. Auch sei ihm kein anspruchsminderndes Mitverschulden anzulasten. Dem Kläger wären die Besonderheiten zwar mit Durchsicht des Produktinformationsblattes und der Versicherungsbedingungen klar geworden. Der Informationspflichtige könne dem Geschädigten jedoch nicht entgegenhalten, er habe dessen Angaben nicht vertrauen dürfen und sei deshalb mitverantwortlich. Eine entsprechende Annahme stünde im Widerspruch zum Grundgedanken der Aufklärungs- und Beratungspflicht.

…ist aber verjährt

Die Beklagte könne dem Anspruch jedoch die eingetretene Verjährung entgegenhalten. Der durch eine Beratungspflichtverletzung entstandene Schadensersatzanspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren (§ 195 BGB). Diese beginnt mit Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt. Dabei steht die grob fahrlässige Unkenntnis der Kenntnis gleich (§ 199 Abs. 1 BGB).

Der Anspruch sei hier bereits mit Vertragsschluss entstanden, da bereits mit dem Eingehen einer Verbindlichkeit ein Schaden entstanden sei. Auch die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns hätten bereits mit Vertragsschluss im Jahr 2013 vorgelegen. Vorliegend komme es nicht auf den Zeitpunkt an, in welchem der Kläger tatsächlich von den Besonderheiten der Riester-Rente Kenntnis erlangte. Entscheidend sei hier vielmehr die Tatsache, dass der Kläger den Versicherungsschein nach Erhalt im Jahr 2013 nicht gelesen hatte.

Grob fahrlässige Unkenntnis

Grobe Fahrlässigkeit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Geschädigte, der sich die Kenntnis in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe beschaffen könnte, die auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit nicht ausnutzt. Die fehlende Kenntnisnahme vom Inhalt der Versicherungsbedingungen und des Produktinformationsblatts reiche nicht zur Annahme grob fahrlässiger Unkenntnis von den klägerseits angeführten Nachteilen der Riester-Rente. Mit der Übersendung des Versicherungsscheins wurden dem Kläger jedoch (nochmals) leicht zugänglich und übersichtlich Umfang und Besonderheiten der Riester-Rente erläutert. Den Versicherungsschein zu lesen, liege nicht nur auf der Hand, sondern sei ersichtlich im ureigenen Interesse auch geboten. Von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer dürfe und müsse erwartet werden, dass der in der Police zusammengefasste Vertragstext lesend zur Kenntnis genommen und im Fall entstehender Zweifel nochmals hinterfragt wird. In der unterbliebenen Kenntnisnahme vom Inhalt des Versicherungsscheins sei ein erhebliches Verschulden des Klägers gegen sich selbst zu sehen.

Somit hätten im Jahr 2013 zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits alle Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB vorgelegen. Die Verjährungsfrist endete danach mit Schluss des Jahres 2016. Die im Jahr 2022 erhobene Klage habe die Verjährung ersichtlich nicht hemmen können.

Das Oberlandesgericht wies die Berufung des Klägers daher zurück.

Wenn wir mit diesem Beitrag Ihr Interesse geweckt haben, schauen Sie auch gerne in unsere weiteren Blogeinträge. Sollten Sie in einer ähnlichen Fallkonstellation selbst betroffen sein, melden Sie sich. Eine fernmündliche Ersteinschätzung seitens unseres Teams ist für Sie kostenfrei.

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Was ist passiert?

Der Kläger hatte sich im Jahr 2013 von einem Versicherungsvertreter der beklagten Versicherung zu einer Basisrente und Berufsunfähigkeitsversicherung beraten lassen. Der Vertreter erstellte im Rahmen des Gesprächs einen Versicherungsvorschlag zum Abschluss einer Riester-Rente, die der Kläger anschließend beantragte. Vor Antragstellung hatte der Kläger das Produktinformationsblatt, die Versicherungsinformation und die Versicherungsbedingungen erhalten. Die Beklagte policierte den Vertrag schließlich gemäß Versicherungsschein vom 31.10.2013. Bis Februar 2022 erbrachte der Kläger Prämien- und Sonderzahlungen in Höhe von 77.176,96 EUR. Diese forderte der Kläger nun von der Beklagten zurück.

Der Kläger macht geltend, er sei im Vorfeld nicht hinreichend über die Besonderheiten der Riester-Rente aufgeklärt worden.  Darüber, dass diese nicht kündbar und die Auszahlung eines Rückkaufswerts ausgeschlossen ist, bei Renteneintritt kein Kapitalwahlrecht besteht und die Versicherung nicht vererbbar ist, habe ihn der Vertreter nicht informiert. Erst im Jahr 2021 habe er im Internet von den Nachteilen dieser Art der Altersvorsorge erfahren. Den Versicherungsschein hatte er nach Erhalt im Jahr 2013 nicht gelesen. Der Kläger behauptet, er hätte die Riester-Rente bei Kenntnis der Besonderheiten nicht abgeschlossen.

Klageabweisung in erster Instanz

Das Landgericht hat die Klage in erster Instanz abgewiesen. Zur Begründung führte es aus, es sei keine Beratungspflichtverletzung feststellbar.  Es sei naheliegend, dass der Kläger, der die Basisrente als gewünschtes Versicherungsprodukt vorgegeben habe, über die Besonderheiten informiert gewesen sei. In der Beratungsdokumentation und im Produktinformationsblatt sei aufgeführt, dass eine Kapitalwertauszahlung nicht möglich sei, sondern nur die Beitragsfreistellung. Auf der anderen Seite habe der Kläger nicht bewiesen, dass er nur eine generelle Beratung zur Altersvorsorge gewünscht habe.

Andere Ansicht – anderes Ergebnis?

Dieser Argumentation schloss sich das Oberlandesgericht in der Berufungsinstanz nicht an. Auch bei einer gewünschten Beratung nur zum Thema Basisrente bestünden Beratungspflichten. Die Besonderheiten der Riester-Rente müssten dem Versicherungsnehmer erläutert werden. Die fehlende Kündbarkeit, Kapitalisierbarkeit und Vererbbarkeit stellten Abweichungen von üblichen Altersvorsorge-Versicherungsprodukten dar, die für den Versicherungsnehmer wesentlich und entscheidungserheblich sind. Eine ausdrückliche dahingehende Information des Klägers lasse sich der Beratungsdokumentation nicht entnehmen. Den möglichen Nachweis, dass eine hinreichende Beratung dennoch erfolgte, sei der Beklagten nicht gelungen.

Anspruch besteht…

Grundsätzlich stehe dem Kläger daher aufgrund des Beratungsfehlers ein Schadensersatzanspruch hinsichtlich der gezahlten Prämien zu. Es sei davon auszugehen, dass er den Versicherungsvertrag bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht geschlossen hätte. Auch sei ihm kein anspruchsminderndes Mitverschulden anzulasten. Dem Kläger wären die Besonderheiten zwar mit Durchsicht des Produktinformationsblattes und der Versicherungsbedingungen klar geworden. Der Informationspflichtige könne dem Geschädigten jedoch nicht entgegenhalten, er habe dessen Angaben nicht vertrauen dürfen und sei deshalb mitverantwortlich. Eine entsprechende Annahme stünde im Widerspruch zum Grundgedanken der Aufklärungs- und Beratungspflicht.

…ist aber verjährt

Die Beklagte könne dem Anspruch jedoch die eingetretene Verjährung entgegenhalten. Der durch eine Beratungspflichtverletzung entstandene Schadensersatzanspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren (§ 195 BGB). Diese beginnt mit Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt. Dabei steht die grob fahrlässige Unkenntnis der Kenntnis gleich (§ 199 Abs. 1 BGB).

Der Anspruch sei hier bereits mit Vertragsschluss entstanden, da bereits mit dem Eingehen einer Verbindlichkeit ein Schaden entstanden sei. Auch die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns hätten bereits mit Vertragsschluss im Jahr 2013 vorgelegen. Vorliegend komme es nicht auf den Zeitpunkt an, in welchem der Kläger tatsächlich von den Besonderheiten der Riester-Rente Kenntnis erlangte. Entscheidend sei hier vielmehr die Tatsache, dass der Kläger den Versicherungsschein nach Erhalt im Jahr 2013 nicht gelesen hatte.

Grob fahrlässige Unkenntnis

Grobe Fahrlässigkeit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Geschädigte, der sich die Kenntnis in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe beschaffen könnte, die auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit nicht ausnutzt. Die fehlende Kenntnisnahme vom Inhalt der Versicherungsbedingungen und des Produktinformationsblatts reiche nicht zur Annahme grob fahrlässiger Unkenntnis von den klägerseits angeführten Nachteilen der Riester-Rente. Mit der Übersendung des Versicherungsscheins wurden dem Kläger jedoch (nochmals) leicht zugänglich und übersichtlich Umfang und Besonderheiten der Riester-Rente erläutert. Den Versicherungsschein zu lesen, liege nicht nur auf der Hand, sondern sei ersichtlich im ureigenen Interesse auch geboten. Von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer dürfe und müsse erwartet werden, dass der in der Police zusammengefasste Vertragstext lesend zur Kenntnis genommen und im Fall entstehender Zweifel nochmals hinterfragt wird. In der unterbliebenen Kenntnisnahme vom Inhalt des Versicherungsscheins sei ein erhebliches Verschulden des Klägers gegen sich selbst zu sehen.

Somit hätten im Jahr 2013 zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits alle Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB vorgelegen. Die Verjährungsfrist endete danach mit Schluss des Jahres 2016. Die im Jahr 2022 erhobene Klage habe die Verjährung ersichtlich nicht hemmen können.

Das Oberlandesgericht wies die Berufung des Klägers daher zurück.

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