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Überprüfung der Dienstunfähigkeit

Überprüfung der Dienstunfähigkeit

Wir beschäftigen uns erneut mit der Berufsunfähigkeitsversicherung. Klauseln, die die Berufsunfähigkeit definieren, sind oftmals unterschiedlich ausgestaltet, nicht nur im Vergleich verschiedener Versicherer. So gibt es zuweilen auch gesonderte Regelungen für Beamte, wann bei Dienstunfähigkeit auch von Berufsunfähigkeit auszugehen ist. Eine solche Regelung hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 31.05.2023 (Az: IV ZR 58/22) behandelt.

Darum geht es

Der Kläger hat bei der beklagten Versicherung eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), spezielle Tarifbedingungen und auch eine zusätzliche Vereinbarung in Form einer Dienstunfähigkeitsklausel zugrunde.  In den allgemeinen Bedingungen ist zunächst geregelt, wann eine vollständige Berufsunfähigkeit vorliegt. Davon ist auszugehen, wenn die versicherte Person etwa krankheitsbedingt voraussichtlich mindestens sechs Monate ihrem zuletzt ausgeübten Beruf – so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war – nicht mehr nachgehen kann und in dieser Zeit auch keine andere Tätigkeit ausübt, zu der sie aufgrund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersgemäßer Kräfteverfall sind nach den AVB von dem Versicherungsnehmer ärztlich nachzuweisen.

In den Tarifbedingungen sind Mitwirkungspflichten des Versicherungsnehmers geregelt. So muss dieser im Falle der Berufsunfähigkeit nach den Regelungen der AVB zahlreiche Unterlagen vorlegen, wie etwa ausführliche Arztberichte. Dem Versicherer wird dort zudem das Recht eingeräumt, auf eigene Kosten weitere ärztliche Untersuchungen zu verlangen.

In der Dienstunfähigkeitsklausel ist Folgendes geregelt: „Alternativ zu der Voraussetzung für bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit … reicht es bereits aus, wenn die versicherte Person als Beamtin/Beamter … infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig ist und dazu wegen allgemeiner Dienstunfähigkeit (im Sinne des § 44 Absatz 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes und des § 26 Absatz 1 Satz 1 des Beamtenstatusgesetzes, Stand: 01.05.2011, …) in den Ruhestand versetzt oder entlassen worden ist.“

Dienstunfähiger Bürgermeister

Der Kläger war seit 2013 Bürgermeister einer Verbandsgemeinde, bis er im Mai 2019 in den Ruhestand versetzt wurde. Dies geschah aufgrund vorliegender psychischer Beeinträchtigungen. Der Kläger beantragte bei der Beklagten daraufhin Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Beklagte verweigerte dies jedoch. Sie macht in diesem Zusammenhang geltend, dass sie die erforderliche Prüfung ihrer Leistungspflicht nicht beenden konnte, da der Kläger eine fachärztliche Untersuchung zur Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit verweigere. Der Kläger sieht sich nicht in der Pflicht, eine solche Untersuchung vornehmen zu lassen. Die Vorlage des Bescheides zur Versetzung in den Ruhestand begründe eine unwiderlegbare Vermutung seiner Berufsunfähigkeit.

Erst- und zweitinstanzlich blieb der Kläger jedoch ohne Erfolg, weswegen er sich mit der Revision an den BGH wandte.

Auslegung einer Versicherungsbedingung

Der BGH urteilte nun, dass Ansprüche des Klägers jedenfalls noch nicht fällig seien. Dies gelte, weil der Kläger seiner Mitwirkungspflicht im Hinblick auf die gewünschte fachärztliche Untersuchung nicht nachgekommen sei.

Die Dienstunfähigkeitsklausel sei aus der Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers auszulegen. Dabei sei auch der erkennbare Sinnzusammenhang zu berücksichtigen. In erster Linie sei vom Bedingungswortlaut auszugehen. Danach sei erkennbar, dass die Dienstunfähigkeitsklausel einen zusätzlichen Tatbestand der „Berufsunfähigkeit“ enthält, der neben den Tatbeständen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen besteht. Dieser setze mit der Versetzung in den Ruhestand oder der Entlassung ein erkennbares Handeln des Dienstherrn voraus. Dies allein genüge jedoch nicht für den Anspruch auf Versicherungsleistungen.

Zusätzliche Voraussetzung der allgemeinen Dienstunfähigkeit

Schon nach dem Wortlaut sei klar, dass der Versicherungsnehmer infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig sein muss. Dies stelle aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers eine eigenständige Voraussetzung für die Feststellung der Berufsunfähigkeit dar. Hätte der Versicherer bindend auf die Entscheidung des Dienstherrn abstellen wollen, hätte es dieser zusätzlichen Ausführung nicht bedurft. Die Klausel werde so verstanden, dass eine Zurruhesetzungs- oder Entlassungsverfügung „wegen allgemeiner Dienstunfähigkeit“ vorliegen muss. Für die Annahme einer weiteren Voraussetzung spreche auch die sprachliche Verbindung von Beeinträchtigung und Handeln des Dienstherrn mit „und dazu“.

Erweiterter Schutz ≠ unwiderlegbare Vermutung

Auch aus dem erkennbaren Zweck und Sinnzusammenhang der Klausel folge kein anderes Verständnis. Die Klausel solle dem Beamten einen erweiterten Schutz bieten. Dies ergebe sich daraus, dass der Versicherer hier im Vergleich zu den AVB-Regelungen keine Möglichkeit hat, den Versicherungsnehmer auf eine andere von ihm ausgeübte Tätigkeit zu verweisen. Auch müsse der Versicherungsnehmer seine Beeinträchtigungen nicht unmittelbar ärztlich nachweisen.

Sofern der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt oder entlassen wird, begründe dies die Vermutung der vollständigen Berufsunfähigkeit. Dabei handele es sich jedoch nicht – wie von dem Kläger ausgeführt – um eine unwiderlegbare Vermutung, sondern um eine widerlegbare. Für die Annahme, der Versicherer wolle sich der Beurteilung der allgemeinen Dienstunfähigkeit durch den Dienstherrn unterwerfen, gebe es keinen Anlass. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer werde vielmehr davon ausgehen, dass in Fällen wie hier der ärztliche Nachweis durch den Beamten entbehrlich ist. Schließlich gehe der Entscheidung des Dienstherrn eine ärztliche Begutachtung des Beamten voraus. Dies hindere den Versicherer jedoch nicht an der Überprüfung der allgemeinen Dienstunfähigkeit.

Entscheidungsbefugnis des Versicherers

Es obliege der eigenverantwortlichen Entscheidung des Versicherers, für Entlassungen oder Pensionierungen der genannten Art unwiderlegbar von vollständiger Berufsunfähigkeit auszugehen. Eine solche Regelung der unwiderlegbaren Vermutung sei vorliegend jedoch erkennbar nicht getroffen worden. Die geschilderte Auslegung verdiene den deutlichen Vorzug vor anderen Auslegungsmöglichkeiten, weswegen die Klausel auch nicht unklar sei.

Aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Klägers habe die Beklagte die notwendigen Untersuchungen zur Feststellung des Versicherungsfalls nicht durchführen können. Der BGH bestätigte daher die vorgehende Entscheidung des Berufungsgerichts und wies die Revision zurück.

Wenn wir mit diesem Beitrag Ihr Interesse geweckt haben, schauen Sie auch gerne in unsere weiteren Blogeinträge. Sollten Sie in einer ähnlichen Fallkonstellation selbst betroffen sein, melden Sie sich. Eine fernmündliche Ersteinschätzung seitens unseres Teams ist für Sie kostenfrei.

Wir beschäftigen uns erneut mit der Berufsunfähigkeitsversicherung. Klauseln, die die Berufsunfähigkeit definieren, sind oftmals unterschiedlich ausgestaltet, nicht nur im Vergleich verschiedener Versicherer. So gibt es zuweilen auch gesonderte Regelungen für Beamte, wann bei Dienstunfähigkeit auch von Berufsunfähigkeit auszugehen ist. Eine solche Regelung hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 31.05.2023 (Az: IV ZR 58/22) behandelt.

Darum geht es

Der Kläger hat bei der beklagten Versicherung eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), spezielle Tarifbedingungen und auch eine zusätzliche Vereinbarung in Form einer Dienstunfähigkeitsklausel zugrunde.  In den allgemeinen Bedingungen ist zunächst geregelt, wann eine vollständige Berufsunfähigkeit vorliegt. Davon ist auszugehen, wenn die versicherte Person etwa krankheitsbedingt voraussichtlich mindestens sechs Monate ihrem zuletzt ausgeübten Beruf – so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war – nicht mehr nachgehen kann und in dieser Zeit auch keine andere Tätigkeit ausübt, zu der sie aufgrund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersgemäßer Kräfteverfall sind nach den AVB von dem Versicherungsnehmer ärztlich nachzuweisen.

In den Tarifbedingungen sind Mitwirkungspflichten des Versicherungsnehmers geregelt. So muss dieser im Falle der Berufsunfähigkeit nach den Regelungen der AVB zahlreiche Unterlagen vorlegen, wie etwa ausführliche Arztberichte. Dem Versicherer wird dort zudem das Recht eingeräumt, auf eigene Kosten weitere ärztliche Untersuchungen zu verlangen.

In der Dienstunfähigkeitsklausel ist Folgendes geregelt: „Alternativ zu der Voraussetzung für bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit … reicht es bereits aus, wenn die versicherte Person als Beamtin/Beamter … infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig ist und dazu wegen allgemeiner Dienstunfähigkeit (im Sinne des § 44 Absatz 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes und des § 26 Absatz 1 Satz 1 des Beamtenstatusgesetzes, Stand: 01.05.2011, …) in den Ruhestand versetzt oder entlassen worden ist.“

Dienstunfähiger Bürgermeister

Der Kläger war seit 2013 Bürgermeister einer Verbandsgemeinde, bis er im Mai 2019 in den Ruhestand versetzt wurde. Dies geschah aufgrund vorliegender psychischer Beeinträchtigungen. Der Kläger beantragte bei der Beklagten daraufhin Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Beklagte verweigerte dies jedoch. Sie macht in diesem Zusammenhang geltend, dass sie die erforderliche Prüfung ihrer Leistungspflicht nicht beenden konnte, da der Kläger eine fachärztliche Untersuchung zur Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit verweigere. Der Kläger sieht sich nicht in der Pflicht, eine solche Untersuchung vornehmen zu lassen. Die Vorlage des Bescheides zur Versetzung in den Ruhestand begründe eine unwiderlegbare Vermutung seiner Berufsunfähigkeit.

Erst- und zweitinstanzlich blieb der Kläger jedoch ohne Erfolg, weswegen er sich mit der Revision an den BGH wandte.

Auslegung einer Versicherungsbedingung

Der BGH urteilte nun, dass Ansprüche des Klägers jedenfalls noch nicht fällig seien. Dies gelte, weil der Kläger seiner Mitwirkungspflicht im Hinblick auf die gewünschte fachärztliche Untersuchung nicht nachgekommen sei.

Die Dienstunfähigkeitsklausel sei aus der Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers auszulegen. Dabei sei auch der erkennbare Sinnzusammenhang zu berücksichtigen. In erster Linie sei vom Bedingungswortlaut auszugehen. Danach sei erkennbar, dass die Dienstunfähigkeitsklausel einen zusätzlichen Tatbestand der „Berufsunfähigkeit“ enthält, der neben den Tatbeständen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen besteht. Dieser setze mit der Versetzung in den Ruhestand oder der Entlassung ein erkennbares Handeln des Dienstherrn voraus. Dies allein genüge jedoch nicht für den Anspruch auf Versicherungsleistungen.

Zusätzliche Voraussetzung der allgemeinen Dienstunfähigkeit

Schon nach dem Wortlaut sei klar, dass der Versicherungsnehmer infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig sein muss. Dies stelle aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers eine eigenständige Voraussetzung für die Feststellung der Berufsunfähigkeit dar. Hätte der Versicherer bindend auf die Entscheidung des Dienstherrn abstellen wollen, hätte es dieser zusätzlichen Ausführung nicht bedurft. Die Klausel werde so verstanden, dass eine Zurruhesetzungs- oder Entlassungsverfügung „wegen allgemeiner Dienstunfähigkeit“ vorliegen muss. Für die Annahme einer weiteren Voraussetzung spreche auch die sprachliche Verbindung von Beeinträchtigung und Handeln des Dienstherrn mit „und dazu“.

Erweiterter Schutz ≠ unwiderlegbare Vermutung

Auch aus dem erkennbaren Zweck und Sinnzusammenhang der Klausel folge kein anderes Verständnis. Die Klausel solle dem Beamten einen erweiterten Schutz bieten. Dies ergebe sich daraus, dass der Versicherer hier im Vergleich zu den AVB-Regelungen keine Möglichkeit hat, den Versicherungsnehmer auf eine andere von ihm ausgeübte Tätigkeit zu verweisen. Auch müsse der Versicherungsnehmer seine Beeinträchtigungen nicht unmittelbar ärztlich nachweisen.

Sofern der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt oder entlassen wird, begründe dies die Vermutung der vollständigen Berufsunfähigkeit. Dabei handele es sich jedoch nicht – wie von dem Kläger ausgeführt – um eine unwiderlegbare Vermutung, sondern um eine widerlegbare. Für die Annahme, der Versicherer wolle sich der Beurteilung der allgemeinen Dienstunfähigkeit durch den Dienstherrn unterwerfen, gebe es keinen Anlass. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer werde vielmehr davon ausgehen, dass in Fällen wie hier der ärztliche Nachweis durch den Beamten entbehrlich ist. Schließlich gehe der Entscheidung des Dienstherrn eine ärztliche Begutachtung des Beamten voraus. Dies hindere den Versicherer jedoch nicht an der Überprüfung der allgemeinen Dienstunfähigkeit.

Entscheidungsbefugnis des Versicherers

Es obliege der eigenverantwortlichen Entscheidung des Versicherers, für Entlassungen oder Pensionierungen der genannten Art unwiderlegbar von vollständiger Berufsunfähigkeit auszugehen. Eine solche Regelung der unwiderlegbaren Vermutung sei vorliegend jedoch erkennbar nicht getroffen worden. Die geschilderte Auslegung verdiene den deutlichen Vorzug vor anderen Auslegungsmöglichkeiten, weswegen die Klausel auch nicht unklar sei.

Aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Klägers habe die Beklagte die notwendigen Untersuchungen zur Feststellung des Versicherungsfalls nicht durchführen können. Der BGH bestätigte daher die vorgehende Entscheidung des Berufungsgerichts und wies die Revision zurück.

Wenn wir mit diesem Beitrag Ihr Interesse geweckt haben, schauen Sie auch gerne in unsere weiteren Blogeinträge. Sollten Sie in einer ähnlichen Fallkonstellation selbst betroffen sein, melden Sie sich. Eine fernmündliche Ersteinschätzung seitens unseres Teams ist für Sie kostenfrei.

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Wir beschäftigen uns erneut mit der Berufsunfähigkeitsversicherung. Klauseln, die die Berufsunfähigkeit definieren, sind oftmals unterschiedlich ausgestaltet, nicht nur im Vergleich verschiedener Versicherer. So gibt es zuweilen auch gesonderte Regelungen für Beamte, wann bei Dienstunfähigkeit auch von Berufsunfähigkeit auszugehen ist. Eine solche Regelung hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 31.05.2023 (Az: IV ZR 58/22) behandelt.

Darum geht es

Der Kläger hat bei der beklagten Versicherung eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), spezielle Tarifbedingungen und auch eine zusätzliche Vereinbarung in Form einer Dienstunfähigkeitsklausel zugrunde.  In den allgemeinen Bedingungen ist zunächst geregelt, wann eine vollständige Berufsunfähigkeit vorliegt. Davon ist auszugehen, wenn die versicherte Person etwa krankheitsbedingt voraussichtlich mindestens sechs Monate ihrem zuletzt ausgeübten Beruf – so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war – nicht mehr nachgehen kann und in dieser Zeit auch keine andere Tätigkeit ausübt, zu der sie aufgrund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersgemäßer Kräfteverfall sind nach den AVB von dem Versicherungsnehmer ärztlich nachzuweisen.

In den Tarifbedingungen sind Mitwirkungspflichten des Versicherungsnehmers geregelt. So muss dieser im Falle der Berufsunfähigkeit nach den Regelungen der AVB zahlreiche Unterlagen vorlegen, wie etwa ausführliche Arztberichte. Dem Versicherer wird dort zudem das Recht eingeräumt, auf eigene Kosten weitere ärztliche Untersuchungen zu verlangen.

In der Dienstunfähigkeitsklausel ist Folgendes geregelt: „Alternativ zu der Voraussetzung für bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit … reicht es bereits aus, wenn die versicherte Person als Beamtin/Beamter … infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig ist und dazu wegen allgemeiner Dienstunfähigkeit (im Sinne des § 44 Absatz 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes und des § 26 Absatz 1 Satz 1 des Beamtenstatusgesetzes, Stand: 01.05.2011, …) in den Ruhestand versetzt oder entlassen worden ist.“

Dienstunfähiger Bürgermeister

Der Kläger war seit 2013 Bürgermeister einer Verbandsgemeinde, bis er im Mai 2019 in den Ruhestand versetzt wurde. Dies geschah aufgrund vorliegender psychischer Beeinträchtigungen. Der Kläger beantragte bei der Beklagten daraufhin Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Beklagte verweigerte dies jedoch. Sie macht in diesem Zusammenhang geltend, dass sie die erforderliche Prüfung ihrer Leistungspflicht nicht beenden konnte, da der Kläger eine fachärztliche Untersuchung zur Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit verweigere. Der Kläger sieht sich nicht in der Pflicht, eine solche Untersuchung vornehmen zu lassen. Die Vorlage des Bescheides zur Versetzung in den Ruhestand begründe eine unwiderlegbare Vermutung seiner Berufsunfähigkeit.

Erst- und zweitinstanzlich blieb der Kläger jedoch ohne Erfolg, weswegen er sich mit der Revision an den BGH wandte.

Auslegung einer Versicherungsbedingung

Der BGH urteilte nun, dass Ansprüche des Klägers jedenfalls noch nicht fällig seien. Dies gelte, weil der Kläger seiner Mitwirkungspflicht im Hinblick auf die gewünschte fachärztliche Untersuchung nicht nachgekommen sei.

Die Dienstunfähigkeitsklausel sei aus der Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers auszulegen. Dabei sei auch der erkennbare Sinnzusammenhang zu berücksichtigen. In erster Linie sei vom Bedingungswortlaut auszugehen. Danach sei erkennbar, dass die Dienstunfähigkeitsklausel einen zusätzlichen Tatbestand der „Berufsunfähigkeit“ enthält, der neben den Tatbeständen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen besteht. Dieser setze mit der Versetzung in den Ruhestand oder der Entlassung ein erkennbares Handeln des Dienstherrn voraus. Dies allein genüge jedoch nicht für den Anspruch auf Versicherungsleistungen.

Zusätzliche Voraussetzung der allgemeinen Dienstunfähigkeit

Schon nach dem Wortlaut sei klar, dass der Versicherungsnehmer infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig sein muss. Dies stelle aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers eine eigenständige Voraussetzung für die Feststellung der Berufsunfähigkeit dar. Hätte der Versicherer bindend auf die Entscheidung des Dienstherrn abstellen wollen, hätte es dieser zusätzlichen Ausführung nicht bedurft. Die Klausel werde so verstanden, dass eine Zurruhesetzungs- oder Entlassungsverfügung „wegen allgemeiner Dienstunfähigkeit“ vorliegen muss. Für die Annahme einer weiteren Voraussetzung spreche auch die sprachliche Verbindung von Beeinträchtigung und Handeln des Dienstherrn mit „und dazu“.

Erweiterter Schutz ≠ unwiderlegbare Vermutung

Auch aus dem erkennbaren Zweck und Sinnzusammenhang der Klausel folge kein anderes Verständnis. Die Klausel solle dem Beamten einen erweiterten Schutz bieten. Dies ergebe sich daraus, dass der Versicherer hier im Vergleich zu den AVB-Regelungen keine Möglichkeit hat, den Versicherungsnehmer auf eine andere von ihm ausgeübte Tätigkeit zu verweisen. Auch müsse der Versicherungsnehmer seine Beeinträchtigungen nicht unmittelbar ärztlich nachweisen.

Sofern der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt oder entlassen wird, begründe dies die Vermutung der vollständigen Berufsunfähigkeit. Dabei handele es sich jedoch nicht – wie von dem Kläger ausgeführt – um eine unwiderlegbare Vermutung, sondern um eine widerlegbare. Für die Annahme, der Versicherer wolle sich der Beurteilung der allgemeinen Dienstunfähigkeit durch den Dienstherrn unterwerfen, gebe es keinen Anlass. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer werde vielmehr davon ausgehen, dass in Fällen wie hier der ärztliche Nachweis durch den Beamten entbehrlich ist. Schließlich gehe der Entscheidung des Dienstherrn eine ärztliche Begutachtung des Beamten voraus. Dies hindere den Versicherer jedoch nicht an der Überprüfung der allgemeinen Dienstunfähigkeit.

Entscheidungsbefugnis des Versicherers

Es obliege der eigenverantwortlichen Entscheidung des Versicherers, für Entlassungen oder Pensionierungen der genannten Art unwiderlegbar von vollständiger Berufsunfähigkeit auszugehen. Eine solche Regelung der unwiderlegbaren Vermutung sei vorliegend jedoch erkennbar nicht getroffen worden. Die geschilderte Auslegung verdiene den deutlichen Vorzug vor anderen Auslegungsmöglichkeiten, weswegen die Klausel auch nicht unklar sei.

Aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Klägers habe die Beklagte die notwendigen Untersuchungen zur Feststellung des Versicherungsfalls nicht durchführen können. Der BGH bestätigte daher die vorgehende Entscheidung des Berufungsgerichts und wies die Revision zurück.

Wenn wir mit diesem Beitrag Ihr Interesse geweckt haben, schauen Sie auch gerne in unsere weiteren Blogeinträge. Sollten Sie in einer ähnlichen Fallkonstellation selbst betroffen sein, melden Sie sich. Eine fernmündliche Ersteinschätzung seitens unseres Teams ist für Sie kostenfrei.

Wir beschäftigen uns erneut mit der Berufsunfähigkeitsversicherung. Klauseln, die die Berufsunfähigkeit definieren, sind oftmals unterschiedlich ausgestaltet, nicht nur im Vergleich verschiedener Versicherer. So gibt es zuweilen auch gesonderte Regelungen für Beamte, wann bei Dienstunfähigkeit auch von Berufsunfähigkeit auszugehen ist. Eine solche Regelung hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 31.05.2023 (Az: IV ZR 58/22) behandelt.

Darum geht es

Der Kläger hat bei der beklagten Versicherung eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), spezielle Tarifbedingungen und auch eine zusätzliche Vereinbarung in Form einer Dienstunfähigkeitsklausel zugrunde.  In den allgemeinen Bedingungen ist zunächst geregelt, wann eine vollständige Berufsunfähigkeit vorliegt. Davon ist auszugehen, wenn die versicherte Person etwa krankheitsbedingt voraussichtlich mindestens sechs Monate ihrem zuletzt ausgeübten Beruf – so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war – nicht mehr nachgehen kann und in dieser Zeit auch keine andere Tätigkeit ausübt, zu der sie aufgrund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersgemäßer Kräfteverfall sind nach den AVB von dem Versicherungsnehmer ärztlich nachzuweisen.

In den Tarifbedingungen sind Mitwirkungspflichten des Versicherungsnehmers geregelt. So muss dieser im Falle der Berufsunfähigkeit nach den Regelungen der AVB zahlreiche Unterlagen vorlegen, wie etwa ausführliche Arztberichte. Dem Versicherer wird dort zudem das Recht eingeräumt, auf eigene Kosten weitere ärztliche Untersuchungen zu verlangen.

In der Dienstunfähigkeitsklausel ist Folgendes geregelt: „Alternativ zu der Voraussetzung für bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit … reicht es bereits aus, wenn die versicherte Person als Beamtin/Beamter … infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig ist und dazu wegen allgemeiner Dienstunfähigkeit (im Sinne des § 44 Absatz 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes und des § 26 Absatz 1 Satz 1 des Beamtenstatusgesetzes, Stand: 01.05.2011, …) in den Ruhestand versetzt oder entlassen worden ist.“

Dienstunfähiger Bürgermeister

Der Kläger war seit 2013 Bürgermeister einer Verbandsgemeinde, bis er im Mai 2019 in den Ruhestand versetzt wurde. Dies geschah aufgrund vorliegender psychischer Beeinträchtigungen. Der Kläger beantragte bei der Beklagten daraufhin Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Beklagte verweigerte dies jedoch. Sie macht in diesem Zusammenhang geltend, dass sie die erforderliche Prüfung ihrer Leistungspflicht nicht beenden konnte, da der Kläger eine fachärztliche Untersuchung zur Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit verweigere. Der Kläger sieht sich nicht in der Pflicht, eine solche Untersuchung vornehmen zu lassen. Die Vorlage des Bescheides zur Versetzung in den Ruhestand begründe eine unwiderlegbare Vermutung seiner Berufsunfähigkeit.

Erst- und zweitinstanzlich blieb der Kläger jedoch ohne Erfolg, weswegen er sich mit der Revision an den BGH wandte.

Auslegung einer Versicherungsbedingung

Der BGH urteilte nun, dass Ansprüche des Klägers jedenfalls noch nicht fällig seien. Dies gelte, weil der Kläger seiner Mitwirkungspflicht im Hinblick auf die gewünschte fachärztliche Untersuchung nicht nachgekommen sei.

Die Dienstunfähigkeitsklausel sei aus der Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers auszulegen. Dabei sei auch der erkennbare Sinnzusammenhang zu berücksichtigen. In erster Linie sei vom Bedingungswortlaut auszugehen. Danach sei erkennbar, dass die Dienstunfähigkeitsklausel einen zusätzlichen Tatbestand der „Berufsunfähigkeit“ enthält, der neben den Tatbeständen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen besteht. Dieser setze mit der Versetzung in den Ruhestand oder der Entlassung ein erkennbares Handeln des Dienstherrn voraus. Dies allein genüge jedoch nicht für den Anspruch auf Versicherungsleistungen.

Zusätzliche Voraussetzung der allgemeinen Dienstunfähigkeit

Schon nach dem Wortlaut sei klar, dass der Versicherungsnehmer infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig sein muss. Dies stelle aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers eine eigenständige Voraussetzung für die Feststellung der Berufsunfähigkeit dar. Hätte der Versicherer bindend auf die Entscheidung des Dienstherrn abstellen wollen, hätte es dieser zusätzlichen Ausführung nicht bedurft. Die Klausel werde so verstanden, dass eine Zurruhesetzungs- oder Entlassungsverfügung „wegen allgemeiner Dienstunfähigkeit“ vorliegen muss. Für die Annahme einer weiteren Voraussetzung spreche auch die sprachliche Verbindung von Beeinträchtigung und Handeln des Dienstherrn mit „und dazu“.

Erweiterter Schutz ≠ unwiderlegbare Vermutung

Auch aus dem erkennbaren Zweck und Sinnzusammenhang der Klausel folge kein anderes Verständnis. Die Klausel solle dem Beamten einen erweiterten Schutz bieten. Dies ergebe sich daraus, dass der Versicherer hier im Vergleich zu den AVB-Regelungen keine Möglichkeit hat, den Versicherungsnehmer auf eine andere von ihm ausgeübte Tätigkeit zu verweisen. Auch müsse der Versicherungsnehmer seine Beeinträchtigungen nicht unmittelbar ärztlich nachweisen.

Sofern der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt oder entlassen wird, begründe dies die Vermutung der vollständigen Berufsunfähigkeit. Dabei handele es sich jedoch nicht – wie von dem Kläger ausgeführt – um eine unwiderlegbare Vermutung, sondern um eine widerlegbare. Für die Annahme, der Versicherer wolle sich der Beurteilung der allgemeinen Dienstunfähigkeit durch den Dienstherrn unterwerfen, gebe es keinen Anlass. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer werde vielmehr davon ausgehen, dass in Fällen wie hier der ärztliche Nachweis durch den Beamten entbehrlich ist. Schließlich gehe der Entscheidung des Dienstherrn eine ärztliche Begutachtung des Beamten voraus. Dies hindere den Versicherer jedoch nicht an der Überprüfung der allgemeinen Dienstunfähigkeit.

Entscheidungsbefugnis des Versicherers

Es obliege der eigenverantwortlichen Entscheidung des Versicherers, für Entlassungen oder Pensionierungen der genannten Art unwiderlegbar von vollständiger Berufsunfähigkeit auszugehen. Eine solche Regelung der unwiderlegbaren Vermutung sei vorliegend jedoch erkennbar nicht getroffen worden. Die geschilderte Auslegung verdiene den deutlichen Vorzug vor anderen Auslegungsmöglichkeiten, weswegen die Klausel auch nicht unklar sei.

Aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Klägers habe die Beklagte die notwendigen Untersuchungen zur Feststellung des Versicherungsfalls nicht durchführen können. Der BGH bestätigte daher die vorgehende Entscheidung des Berufungsgerichts und wies die Revision zurück.

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