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Wie war die Frage?

Wie war die Frage?

Die Berufsunfähigkeitsversicherung beschäftigt uns erneut. Diesmal dreht sich alles um die Beantwortung der Gesundheitsfragen und wann den Versicherungsnehmer bezüglich einer unterbliebenen Angabe ein Verschulden trifft. Das Oberlandesgericht Dresden hat sich in dem Urteil vom 06.12.2022 (Az: 4 U 1215/22) mit diesen Punkten auseinandergesetzt.

Das ist passiert

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Bei der Beantragung derselben im Jahr 2013 durch die Klägerin selbst verneinte sie jeweils die Gesundheitsfragen. Dort wurde unter anderem nach Krankheiten, Funktionsstörungen, Beschwerden und Behandlungen der Psyche innerhalb der letzten fünf Jahre gefragt. Tatsächlich erhielt die Klägerin jedoch im Jahr 2008 wegen Lampenfieber eine Überweisung ihrer Hausärztin zu einem Psychotherapeuten. Mit diesem fanden fünf probatorische Sitzungen statt, bevor er entschied, dass bezüglich des Lampenfiebers kein Behandlungsbedarf bestand.

Im Jahr 2016 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Leistungsantrag wegen Berufsunfähigkeit infolge einer posttraumatischen Belastungsstörung. Wegen der unterbliebenen Mitteilung bezüglich der fünf Sitzungen mit dem Psychotherapeuten lehnte die Beklagte den Antrag ab. Es sei eine rückwirkende Vertragsanpassung vorzunehmen mit dem Ausschluss von Ansprüchen wegen Berufsunfähigkeit, sofern diese auf psychischen und/oder psychosomatischen Erkrankungen beruht. Die Klägerin verfolgte ihren Leistungsanspruch gegen die beklagte Versicherung gerichtlich weiter.

Die erstinstanzliche Entscheidung

Das Landgericht gab der Klage in erster Instanz statt. Objektiv handle es sich hier zwar um Falschangaben und die Klägerin sei auch ordnungsgemäß über ihre vorvertragliche Anzeigepflicht belehrt worden. Die Verletzung der Anzeigepflicht sei jedoch unverschuldet erfolgt. Die Klägerin habe sich auf die Einschätzung des Psychotherapeuten verlassen dürfen, wonach sie nicht an einer psychischen Krankheit leide.

Bestätigung durch das OLG

Das OLG hat die erstinstanzliche Entscheidung als zutreffend erachtet. Die formellen Voraussetzungen einer Vertragsanpassung lägen zwar vor, habe die Beklagte doch die Anpassung binnen eines Monats ab Kenntnis von den ärztlichen Behandlungen erklärt. Die Klägerin sei auch entsprechend des § 19 Abs. 5 VVG gesondert über die Folgen einer Anzeigenpflichtverletzung informiert worden. Es fehle jedoch an einem Anpassungsgrund. Eine Obliegenheitsverletzung in Form einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung der Anzeigepflicht liege hier nicht vor.

Falsche Beantwortung einer Gesundheitsfrage

Die inhaltliche Falschbeantwortung ergebe sich nicht schon daraus, dass das „Lampenfieber“ als Krankheit oder Beschwerde der Psyche anzusehen sei. Eine Krankheit sei ein Zustand, der vom normalen Gesundheitszustand so stark und nachhaltig abweicht, dass er geeignet ist, die berufliche Leistungsfähigkeit oder Einsatzmöglichkeit dauerhaft zu beeinträchtigen. Dies sei hier nicht gegeben. Auch habe das Lampenfieber nicht in ein Vermeidungsverhalten oder Ähnliches gemündet. Eine Anzeigepflicht könne bei solchen offenkundig belanglosen oder alsbald vergehenden Beeinträchtigungen nicht begründet werden.

Es spreche jedoch einiges dafür, dass die Überweisung der Hausärztin an einen Psychotherapeuten eine anzeigepflichtige Behandlung der Psyche darstellt. Dadurch werde immerhin klar, dass für die Erstbehandelnde eine weitergehende Abklärung für erforderlich gehalten wurde. Es könne daher nicht von einer bloßen Untersuchung, die ohne Befund geblieben ist, ausgegangen werden. Der Umstand, dass fünf probatorische Sitzungen stattgefunden haben, spreche dafür, dass die geführten Gespräche zumindest auch eine krankheitsklärende und damit auch therapeutische Zielrichtung hatten.

Unpräzise Frage, keine grobe Fahrlässigkeit

Der Klägerin sei jedoch keine für eine Vertragsanpassung erforderliche grobe Fahrlässigkeit bezüglich der Falschbeantwortung vorzuwerfen. Das OLG hob hierbei hervor, dass bei einem Hinwegsetzen über präzise Fragen im Antragsformular grundsätzlich mindestens grobe Fahrlässigkeit anzunehmen sei. Vorliegend sei jedoch schon nicht eindeutig, ob die Überweisung an einen Facharzt und probatorische Sitzungen als „Behandlung“ im Sinne der Gesundheitsfragen anzusehen sind. Das Verkennen einer solchen „Behandlung“ könne einem Versicherungsnehmer daher nicht als grob fahrlässig angelastet werden.

Zudem habe die Klägerin glaubhaft geschildert, dass sie den Vorfall aus ihrem Gedächtnis gelöscht hatte. Dies könne vor dem Hintergrund, dass die „Behandlung“ von der Mutter der Klägerin initiiert wurde, noch nachvollzogen werden. Auch sei außer einem „netten Gespräch“ nichts weiter daraus hervorgegangen und nachfolgend hätten einige einschneidende Veränderungen stattgefunden. Auch sprächen die gutachterlich festgestellten zur Verdrängung neigenden Tendenzen bei der Klägerin für die Glaubhaftigkeit der Aussage. Im Jahr 2008 war diese zudem erst 18 Jahre alt. Es könne der Klägerin zwar vorgeworfen werden, nicht stärker nachgeforscht zu haben. Es könne aber dahinstehen, ob ihr diesbezüglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden kann. Ein Versicherungsnehmer verletze seine Anzeigepflicht nämlich nicht bereits, wenn er einen Umstand nicht angibt, der ihm fahrlässig unbekannt geblieben ist. Fahrlässige Unkenntnis könne die fehlende Kenntnis eines anzeigepflichtigen Umstands insoweit nicht ersetzen.

Das OLG wies die Berufung der Beklagten aus diesen Gründen zurück.  

Wenn wir mit diesem Beitrag Ihr Interesse geweckt haben, schauen Sie auch gerne in unsere weiteren Blogeinträge. Sollten Sie in einer ähnlichen Fallkonstellation selbst betroffen sein, melden Sie sich. Eine fernmündliche Ersteinschätzung seitens unseres Teams ist für Sie kostenfrei.

Die Berufsunfähigkeitsversicherung beschäftigt uns erneut. Diesmal dreht sich alles um die Beantwortung der Gesundheitsfragen und wann den Versicherungsnehmer bezüglich einer unterbliebenen Angabe ein Verschulden trifft. Das Oberlandesgericht Dresden hat sich in dem Urteil vom 06.12.2022 (Az: 4 U 1215/22) mit diesen Punkten auseinandergesetzt.

Das ist passiert

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Bei der Beantragung derselben im Jahr 2013 durch die Klägerin selbst verneinte sie jeweils die Gesundheitsfragen. Dort wurde unter anderem nach Krankheiten, Funktionsstörungen, Beschwerden und Behandlungen der Psyche innerhalb der letzten fünf Jahre gefragt. Tatsächlich erhielt die Klägerin jedoch im Jahr 2008 wegen Lampenfieber eine Überweisung ihrer Hausärztin zu einem Psychotherapeuten. Mit diesem fanden fünf probatorische Sitzungen statt, bevor er entschied, dass bezüglich des Lampenfiebers kein Behandlungsbedarf bestand.

Im Jahr 2016 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Leistungsantrag wegen Berufsunfähigkeit infolge einer posttraumatischen Belastungsstörung. Wegen der unterbliebenen Mitteilung bezüglich der fünf Sitzungen mit dem Psychotherapeuten lehnte die Beklagte den Antrag ab. Es sei eine rückwirkende Vertragsanpassung vorzunehmen mit dem Ausschluss von Ansprüchen wegen Berufsunfähigkeit, sofern diese auf psychischen und/oder psychosomatischen Erkrankungen beruht. Die Klägerin verfolgte ihren Leistungsanspruch gegen die beklagte Versicherung gerichtlich weiter.

Die erstinstanzliche Entscheidung

Das Landgericht gab der Klage in erster Instanz statt. Objektiv handle es sich hier zwar um Falschangaben und die Klägerin sei auch ordnungsgemäß über ihre vorvertragliche Anzeigepflicht belehrt worden. Die Verletzung der Anzeigepflicht sei jedoch unverschuldet erfolgt. Die Klägerin habe sich auf die Einschätzung des Psychotherapeuten verlassen dürfen, wonach sie nicht an einer psychischen Krankheit leide.

Bestätigung durch das OLG

Das OLG hat die erstinstanzliche Entscheidung als zutreffend erachtet. Die formellen Voraussetzungen einer Vertragsanpassung lägen zwar vor, habe die Beklagte doch die Anpassung binnen eines Monats ab Kenntnis von den ärztlichen Behandlungen erklärt. Die Klägerin sei auch entsprechend des § 19 Abs. 5 VVG gesondert über die Folgen einer Anzeigenpflichtverletzung informiert worden. Es fehle jedoch an einem Anpassungsgrund. Eine Obliegenheitsverletzung in Form einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung der Anzeigepflicht liege hier nicht vor.

Falsche Beantwortung einer Gesundheitsfrage

Die inhaltliche Falschbeantwortung ergebe sich nicht schon daraus, dass das „Lampenfieber“ als Krankheit oder Beschwerde der Psyche anzusehen sei. Eine Krankheit sei ein Zustand, der vom normalen Gesundheitszustand so stark und nachhaltig abweicht, dass er geeignet ist, die berufliche Leistungsfähigkeit oder Einsatzmöglichkeit dauerhaft zu beeinträchtigen. Dies sei hier nicht gegeben. Auch habe das Lampenfieber nicht in ein Vermeidungsverhalten oder Ähnliches gemündet. Eine Anzeigepflicht könne bei solchen offenkundig belanglosen oder alsbald vergehenden Beeinträchtigungen nicht begründet werden.

Es spreche jedoch einiges dafür, dass die Überweisung der Hausärztin an einen Psychotherapeuten eine anzeigepflichtige Behandlung der Psyche darstellt. Dadurch werde immerhin klar, dass für die Erstbehandelnde eine weitergehende Abklärung für erforderlich gehalten wurde. Es könne daher nicht von einer bloßen Untersuchung, die ohne Befund geblieben ist, ausgegangen werden. Der Umstand, dass fünf probatorische Sitzungen stattgefunden haben, spreche dafür, dass die geführten Gespräche zumindest auch eine krankheitsklärende und damit auch therapeutische Zielrichtung hatten.

Unpräzise Frage, keine grobe Fahrlässigkeit

Der Klägerin sei jedoch keine für eine Vertragsanpassung erforderliche grobe Fahrlässigkeit bezüglich der Falschbeantwortung vorzuwerfen. Das OLG hob hierbei hervor, dass bei einem Hinwegsetzen über präzise Fragen im Antragsformular grundsätzlich mindestens grobe Fahrlässigkeit anzunehmen sei. Vorliegend sei jedoch schon nicht eindeutig, ob die Überweisung an einen Facharzt und probatorische Sitzungen als „Behandlung“ im Sinne der Gesundheitsfragen anzusehen sind. Das Verkennen einer solchen „Behandlung“ könne einem Versicherungsnehmer daher nicht als grob fahrlässig angelastet werden.

Zudem habe die Klägerin glaubhaft geschildert, dass sie den Vorfall aus ihrem Gedächtnis gelöscht hatte. Dies könne vor dem Hintergrund, dass die „Behandlung“ von der Mutter der Klägerin initiiert wurde, noch nachvollzogen werden. Auch sei außer einem „netten Gespräch“ nichts weiter daraus hervorgegangen und nachfolgend hätten einige einschneidende Veränderungen stattgefunden. Auch sprächen die gutachterlich festgestellten zur Verdrängung neigenden Tendenzen bei der Klägerin für die Glaubhaftigkeit der Aussage. Im Jahr 2008 war diese zudem erst 18 Jahre alt. Es könne der Klägerin zwar vorgeworfen werden, nicht stärker nachgeforscht zu haben. Es könne aber dahinstehen, ob ihr diesbezüglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden kann. Ein Versicherungsnehmer verletze seine Anzeigepflicht nämlich nicht bereits, wenn er einen Umstand nicht angibt, der ihm fahrlässig unbekannt geblieben ist. Fahrlässige Unkenntnis könne die fehlende Kenntnis eines anzeigepflichtigen Umstands insoweit nicht ersetzen.

Das OLG wies die Berufung der Beklagten aus diesen Gründen zurück.  

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Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Bei der Beantragung derselben im Jahr 2013 durch die Klägerin selbst verneinte sie jeweils die Gesundheitsfragen. Dort wurde unter anderem nach Krankheiten, Funktionsstörungen, Beschwerden und Behandlungen der Psyche innerhalb der letzten fünf Jahre gefragt. Tatsächlich erhielt die Klägerin jedoch im Jahr 2008 wegen Lampenfieber eine Überweisung ihrer Hausärztin zu einem Psychotherapeuten. Mit diesem fanden fünf probatorische Sitzungen statt, bevor er entschied, dass bezüglich des Lampenfiebers kein Behandlungsbedarf bestand.

Im Jahr 2016 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Leistungsantrag wegen Berufsunfähigkeit infolge einer posttraumatischen Belastungsstörung. Wegen der unterbliebenen Mitteilung bezüglich der fünf Sitzungen mit dem Psychotherapeuten lehnte die Beklagte den Antrag ab. Es sei eine rückwirkende Vertragsanpassung vorzunehmen mit dem Ausschluss von Ansprüchen wegen Berufsunfähigkeit, sofern diese auf psychischen und/oder psychosomatischen Erkrankungen beruht. Die Klägerin verfolgte ihren Leistungsanspruch gegen die beklagte Versicherung gerichtlich weiter.

Die erstinstanzliche Entscheidung

Das Landgericht gab der Klage in erster Instanz statt. Objektiv handle es sich hier zwar um Falschangaben und die Klägerin sei auch ordnungsgemäß über ihre vorvertragliche Anzeigepflicht belehrt worden. Die Verletzung der Anzeigepflicht sei jedoch unverschuldet erfolgt. Die Klägerin habe sich auf die Einschätzung des Psychotherapeuten verlassen dürfen, wonach sie nicht an einer psychischen Krankheit leide.

Bestätigung durch das OLG

Das OLG hat die erstinstanzliche Entscheidung als zutreffend erachtet. Die formellen Voraussetzungen einer Vertragsanpassung lägen zwar vor, habe die Beklagte doch die Anpassung binnen eines Monats ab Kenntnis von den ärztlichen Behandlungen erklärt. Die Klägerin sei auch entsprechend des § 19 Abs. 5 VVG gesondert über die Folgen einer Anzeigenpflichtverletzung informiert worden. Es fehle jedoch an einem Anpassungsgrund. Eine Obliegenheitsverletzung in Form einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung der Anzeigepflicht liege hier nicht vor.

Falsche Beantwortung einer Gesundheitsfrage

Die inhaltliche Falschbeantwortung ergebe sich nicht schon daraus, dass das „Lampenfieber“ als Krankheit oder Beschwerde der Psyche anzusehen sei. Eine Krankheit sei ein Zustand, der vom normalen Gesundheitszustand so stark und nachhaltig abweicht, dass er geeignet ist, die berufliche Leistungsfähigkeit oder Einsatzmöglichkeit dauerhaft zu beeinträchtigen. Dies sei hier nicht gegeben. Auch habe das Lampenfieber nicht in ein Vermeidungsverhalten oder Ähnliches gemündet. Eine Anzeigepflicht könne bei solchen offenkundig belanglosen oder alsbald vergehenden Beeinträchtigungen nicht begründet werden.

Es spreche jedoch einiges dafür, dass die Überweisung der Hausärztin an einen Psychotherapeuten eine anzeigepflichtige Behandlung der Psyche darstellt. Dadurch werde immerhin klar, dass für die Erstbehandelnde eine weitergehende Abklärung für erforderlich gehalten wurde. Es könne daher nicht von einer bloßen Untersuchung, die ohne Befund geblieben ist, ausgegangen werden. Der Umstand, dass fünf probatorische Sitzungen stattgefunden haben, spreche dafür, dass die geführten Gespräche zumindest auch eine krankheitsklärende und damit auch therapeutische Zielrichtung hatten.

Unpräzise Frage, keine grobe Fahrlässigkeit

Der Klägerin sei jedoch keine für eine Vertragsanpassung erforderliche grobe Fahrlässigkeit bezüglich der Falschbeantwortung vorzuwerfen. Das OLG hob hierbei hervor, dass bei einem Hinwegsetzen über präzise Fragen im Antragsformular grundsätzlich mindestens grobe Fahrlässigkeit anzunehmen sei. Vorliegend sei jedoch schon nicht eindeutig, ob die Überweisung an einen Facharzt und probatorische Sitzungen als „Behandlung“ im Sinne der Gesundheitsfragen anzusehen sind. Das Verkennen einer solchen „Behandlung“ könne einem Versicherungsnehmer daher nicht als grob fahrlässig angelastet werden.

Zudem habe die Klägerin glaubhaft geschildert, dass sie den Vorfall aus ihrem Gedächtnis gelöscht hatte. Dies könne vor dem Hintergrund, dass die „Behandlung“ von der Mutter der Klägerin initiiert wurde, noch nachvollzogen werden. Auch sei außer einem „netten Gespräch“ nichts weiter daraus hervorgegangen und nachfolgend hätten einige einschneidende Veränderungen stattgefunden. Auch sprächen die gutachterlich festgestellten zur Verdrängung neigenden Tendenzen bei der Klägerin für die Glaubhaftigkeit der Aussage. Im Jahr 2008 war diese zudem erst 18 Jahre alt. Es könne der Klägerin zwar vorgeworfen werden, nicht stärker nachgeforscht zu haben. Es könne aber dahinstehen, ob ihr diesbezüglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden kann. Ein Versicherungsnehmer verletze seine Anzeigepflicht nämlich nicht bereits, wenn er einen Umstand nicht angibt, der ihm fahrlässig unbekannt geblieben ist. Fahrlässige Unkenntnis könne die fehlende Kenntnis eines anzeigepflichtigen Umstands insoweit nicht ersetzen.

Das OLG wies die Berufung der Beklagten aus diesen Gründen zurück.  

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Das ist passiert

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Bei der Beantragung derselben im Jahr 2013 durch die Klägerin selbst verneinte sie jeweils die Gesundheitsfragen. Dort wurde unter anderem nach Krankheiten, Funktionsstörungen, Beschwerden und Behandlungen der Psyche innerhalb der letzten fünf Jahre gefragt. Tatsächlich erhielt die Klägerin jedoch im Jahr 2008 wegen Lampenfieber eine Überweisung ihrer Hausärztin zu einem Psychotherapeuten. Mit diesem fanden fünf probatorische Sitzungen statt, bevor er entschied, dass bezüglich des Lampenfiebers kein Behandlungsbedarf bestand.

Im Jahr 2016 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Leistungsantrag wegen Berufsunfähigkeit infolge einer posttraumatischen Belastungsstörung. Wegen der unterbliebenen Mitteilung bezüglich der fünf Sitzungen mit dem Psychotherapeuten lehnte die Beklagte den Antrag ab. Es sei eine rückwirkende Vertragsanpassung vorzunehmen mit dem Ausschluss von Ansprüchen wegen Berufsunfähigkeit, sofern diese auf psychischen und/oder psychosomatischen Erkrankungen beruht. Die Klägerin verfolgte ihren Leistungsanspruch gegen die beklagte Versicherung gerichtlich weiter.

Die erstinstanzliche Entscheidung

Das Landgericht gab der Klage in erster Instanz statt. Objektiv handle es sich hier zwar um Falschangaben und die Klägerin sei auch ordnungsgemäß über ihre vorvertragliche Anzeigepflicht belehrt worden. Die Verletzung der Anzeigepflicht sei jedoch unverschuldet erfolgt. Die Klägerin habe sich auf die Einschätzung des Psychotherapeuten verlassen dürfen, wonach sie nicht an einer psychischen Krankheit leide.

Bestätigung durch das OLG

Das OLG hat die erstinstanzliche Entscheidung als zutreffend erachtet. Die formellen Voraussetzungen einer Vertragsanpassung lägen zwar vor, habe die Beklagte doch die Anpassung binnen eines Monats ab Kenntnis von den ärztlichen Behandlungen erklärt. Die Klägerin sei auch entsprechend des § 19 Abs. 5 VVG gesondert über die Folgen einer Anzeigenpflichtverletzung informiert worden. Es fehle jedoch an einem Anpassungsgrund. Eine Obliegenheitsverletzung in Form einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung der Anzeigepflicht liege hier nicht vor.

Falsche Beantwortung einer Gesundheitsfrage

Die inhaltliche Falschbeantwortung ergebe sich nicht schon daraus, dass das „Lampenfieber“ als Krankheit oder Beschwerde der Psyche anzusehen sei. Eine Krankheit sei ein Zustand, der vom normalen Gesundheitszustand so stark und nachhaltig abweicht, dass er geeignet ist, die berufliche Leistungsfähigkeit oder Einsatzmöglichkeit dauerhaft zu beeinträchtigen. Dies sei hier nicht gegeben. Auch habe das Lampenfieber nicht in ein Vermeidungsverhalten oder Ähnliches gemündet. Eine Anzeigepflicht könne bei solchen offenkundig belanglosen oder alsbald vergehenden Beeinträchtigungen nicht begründet werden.

Es spreche jedoch einiges dafür, dass die Überweisung der Hausärztin an einen Psychotherapeuten eine anzeigepflichtige Behandlung der Psyche darstellt. Dadurch werde immerhin klar, dass für die Erstbehandelnde eine weitergehende Abklärung für erforderlich gehalten wurde. Es könne daher nicht von einer bloßen Untersuchung, die ohne Befund geblieben ist, ausgegangen werden. Der Umstand, dass fünf probatorische Sitzungen stattgefunden haben, spreche dafür, dass die geführten Gespräche zumindest auch eine krankheitsklärende und damit auch therapeutische Zielrichtung hatten.

Unpräzise Frage, keine grobe Fahrlässigkeit

Der Klägerin sei jedoch keine für eine Vertragsanpassung erforderliche grobe Fahrlässigkeit bezüglich der Falschbeantwortung vorzuwerfen. Das OLG hob hierbei hervor, dass bei einem Hinwegsetzen über präzise Fragen im Antragsformular grundsätzlich mindestens grobe Fahrlässigkeit anzunehmen sei. Vorliegend sei jedoch schon nicht eindeutig, ob die Überweisung an einen Facharzt und probatorische Sitzungen als „Behandlung“ im Sinne der Gesundheitsfragen anzusehen sind. Das Verkennen einer solchen „Behandlung“ könne einem Versicherungsnehmer daher nicht als grob fahrlässig angelastet werden.

Zudem habe die Klägerin glaubhaft geschildert, dass sie den Vorfall aus ihrem Gedächtnis gelöscht hatte. Dies könne vor dem Hintergrund, dass die „Behandlung“ von der Mutter der Klägerin initiiert wurde, noch nachvollzogen werden. Auch sei außer einem „netten Gespräch“ nichts weiter daraus hervorgegangen und nachfolgend hätten einige einschneidende Veränderungen stattgefunden. Auch sprächen die gutachterlich festgestellten zur Verdrängung neigenden Tendenzen bei der Klägerin für die Glaubhaftigkeit der Aussage. Im Jahr 2008 war diese zudem erst 18 Jahre alt. Es könne der Klägerin zwar vorgeworfen werden, nicht stärker nachgeforscht zu haben. Es könne aber dahinstehen, ob ihr diesbezüglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden kann. Ein Versicherungsnehmer verletze seine Anzeigepflicht nämlich nicht bereits, wenn er einen Umstand nicht angibt, der ihm fahrlässig unbekannt geblieben ist. Fahrlässige Unkenntnis könne die fehlende Kenntnis eines anzeigepflichtigen Umstands insoweit nicht ersetzen.

Das OLG wies die Berufung der Beklagten aus diesen Gründen zurück.  

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