Missverständnisse gibt es immer wieder. Mit einem solchen hatte sich zuletzt auch das OLG Hamm zu befassen. In dem Beschluss vom 23.01.2023 (Az: 6 U 107/21) ging es insbesondere um Fragen zur groben Fahrlässigkeit und einer daraus resultierenden Leistungskürzung durch den Kfz-Teilkaskoversicherer.
Darum geht es
Der Kläger hatte für sein Wohnmobil eine Teilkaskoversicherung abgeschlossen. Er kümmerte sich fast ausschließlich um das Fahrzeug und fuhr es auch im Urlaub mit seiner Ehefrau die meiste Zeit. Im Jahr 2019 wurde das Wohnmobil entwendet. Der Kläger hatte seiner Frau zugerufen, sie solle den unter einem Handtuch in der Ablage liegenden Schlüssel mitbringen. Diese hatte ihn jedoch nicht verstanden und ließ das Wohnmobil unverschlossen zurück, worauf dieses gestohlen wurde. Auch der Zweitschlüssel war dauerhaft im Fahrzeug versteckt zwischen den Waschmitteln im Toilettenfach. Die weiteren Details des Diebstahls konnten im Nachgang jedoch nicht mehr aufgeklärt werden.
In der Folge forderte der Kläger Ersatz von seinem Teilkaskoversicherer. Dieser zahlte jedoch zunächst nur einen Betrag von 16.000 €, der Kläger forderte die Zahlung weiterer 32.000 €. Der Versicherer hielt dem entgegen, dass er wegen grob fahrlässigen Verhaltens zur Leistungskürzung berechtigt sei.
Das Landgericht gab dem Kläger in erster Instanz Recht und sprach ihm die weiteren 32.000 € zu. Hiergegen wandte sich der Versicherer mit der Berufung.
Bestätigung durch das OLG
Das OLG teilte mit dem Hinweisbeschluss mit, dass es die Entscheidung des Landgerichts für richtig hält. Insbesondere sei der Versicherer nicht zur teilweisen Leistungskürzung berechtigt. Grundsätzlich sei in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen diese Möglichkeit gemäß der Regelung in § 81 Abs. 2 VVG vorgesehen. Danach kann der Versicherer dann die Leistung kürzen, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt. Vorliegend fehle es jedoch an der groben Fahrlässigkeit und an der Ursächlichkeit grob fahrlässigen Verhaltens für das Eintreten des Versicherungsfalls.
Grobe Fahrlässigkeit
Grobe Fahrlässigkeit beinhaltet ein objektives und ein subjektives Element. Objektiv grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dabei einfachste, naheliegende Maßnahmen nicht ergreift, die jedem in der konkreten Situation hätten einleuchten müssen. Subjektiv ist ein besonders hohes Maß an Vorwerfbarkeit erforderlich, es muss sich um eine subjektiv unentschuldbare Pflichtwidrigkeit handeln. Für beide Seiten der groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherer die Darlegungs- und Beweislast.
Missverständnisse passieren
Das Gericht hielt fest, dass das Zurücklassen des Erstschlüssel im Wohnmobil durch den Kläger nicht subjektiv grob fahrlässig war. Denn schließlich hatte er seine Ehefrau per Zuruf gebeten, den Schlüssel mitzubringen. Nur aufgrund eines Missverständnisses sei die Ehefrau diesem Wunsch nicht nachgekommen. Ein solches Missverständnis könne jedem passieren; das Verhalten des Klägers sei damit keine subjektiv unentschuldbare Pflichtverletzung.
Dies gelte auch bezüglich der Formulierung des Rufes, seine Ehefrau solle den Schlüssel mitbringen. Ausdrücklich hatte er seine Ehefrau damit nicht aufgefordert, das Wohnmobil auch abzuschließen. In der Aufforderung zur Schlüsselmitnahme liege jedoch gemeinhin auch die Aufforderung zum Abschließen. Zudem könne nicht davon ausgegangen werden, dass dieser „Formulierungsfehler“ den Diebstahl verursacht hat, da die Ehefrau den Kläger gar nicht richtig verstanden hat. Es fehle insofern also auf jeden Fall an der Kausalität.
Vertrauen und Verstecke
Das Gericht stellte auch heraus, dass der Kläger das Abschließen und Mitbringen des Schlüssels nicht kontrollieren musste. Da den Versicherer die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der groben Fahrlässigkeit und der Herbeiführung des Versicherungsfalls trifft, hätte er Anhaltspunkte vorbringen müssen, warum das unter Ehegatten übliche Vertrauen im vorliegenden Fall nicht angebracht war. Dies hat der beklagte Versicherer jedoch versäumt.
Hinsichtlich des dauerhaften, verstecken Aufbewahrens des Zweitschlüssels im Wohnmobil könne dahinstehen, ob hierin ein grob fahrlässiges Verhalten zu sehen sei. Entscheidend sei, ob der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt, also erst ermöglicht oder veranlasst hat. Das Auffinden von im Fahrzeug aufbewahrten Fahrzeugzweitschlüsseln und -papieren könne den Diebstahl sowie die Beutesicherung und -veräußerung zweifellos erleichtern. An der Herbeiführung fehle es jedoch, wenn der Täter vor Diebstahlsentschluss nicht gesehen hat, dass sich im Fahrzeug Schlüssel befinden. Im hiesigen Fall spreche nichts dafür, dass die versteckten Zweitschlüssel für den Tatentschluss oder die Tatbegehung eine Rolle gespielt hätten. Da der genaue Ablauf des Diebstahls nicht aufgeklärt werden konnte, gehe dies zu Lasten des beweisbelasteten Versicherers.
Verhalten der Ehefrau nicht zuzurechnen
Auch könne dahinstehen, ob die Ehefrau des Klägers grob fahrlässig gehandelt hat. Denn deren Verhalten könne dem Kläger jedenfalls nicht zugerechnet werden. Grundsätzlich hat ein Versicherungsnehmer nicht für das Verschulden Dritter einzustehen. Anderes gelte nur, wenn der Dritte als Repräsentant des Versicherungsnehmers anzusehen ist. Anerkannt ist das in zwei Fallgruppen: bei der Übertragung der Risikoverwaltung und der Übertragung der Vertragsverwaltung. Unter keine der beiden Gruppen könne die Ehefrau im vorliegenden Fall gefasst werden. Im Bereich der Kaskoversicherung kommt es bei der Risikoverwaltung darauf an, wer für die tatsächliche Betreuung des Fahrzeugs eigenverantwortlich zu sorgen hat. Vorliegend habe die Verfügungsbefugnis und Verantwortlichkeit für das Wohnmobil ausschließlich dem Kläger oblegen. Anhaltspunkte dafür, dass der Ehefrau die Risikoverwaltung übertragen war, gebe es nicht. Dies gelte auch für die Übertragung der Vertragsverwaltung.
Wohnmobil-Versicherung ≠ Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs
Die Ehefrau sei auch nicht über § 1357 Abs. 1 BGB (Mit-)Versicherungsnehmerin geworden und ihr Verhalten deswegen zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen zu besorgen. Dadurch werden also regelmäßig beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet.
Bei dem Abschluss des Kfz-Versicherungsvertrages für das Wohnmobil handele es sich jedoch nicht um ein Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs. In einem anderen Fall hatte der BGH entschieden, dass der Abschluss einer Vollkaskoversicherung ein solches Geschäft darstellen könne. Dabei habe es sich jedoch um das einzige Fahrzeug einer fünfköpfigen Familie gehandelt. Der Abschluss des Versicherungsvertrages habe dort den Erhalt eines Fahrzeugs für die Familie sichern sollen. Damit sei dementsprechend auch der Bedarf der Familie, immer ein Fahrzeug zur Verfügung zu haben, gedeckt worden. Dies lasse sich jedoch nicht auf den hiesigen Fall übertragen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Beteiligung der Ehefrau lediglich darin bestand, das Wohnmobil etwa zu Urlaubszwecken mitzunutzen.
Nach Erteilung des Hinweisbeschlusses nahm der beklagte Versicherer die Berufung zurück.
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Missverständnisse gibt es immer wieder. Mit einem solchen hatte sich zuletzt auch das OLG Hamm zu befassen. In dem Beschluss vom 23.01.2023 (Az: 6 U 107/21) ging es insbesondere um Fragen zur groben Fahrlässigkeit und einer daraus resultierenden Leistungskürzung durch den Kfz-Teilkaskoversicherer.
Darum geht es
Der Kläger hatte für sein Wohnmobil eine Teilkaskoversicherung abgeschlossen. Er kümmerte sich fast ausschließlich um das Fahrzeug und fuhr es auch im Urlaub mit seiner Ehefrau die meiste Zeit. Im Jahr 2019 wurde das Wohnmobil entwendet. Der Kläger hatte seiner Frau zugerufen, sie solle den unter einem Handtuch in der Ablage liegenden Schlüssel mitbringen. Diese hatte ihn jedoch nicht verstanden und ließ das Wohnmobil unverschlossen zurück, worauf dieses gestohlen wurde. Auch der Zweitschlüssel war dauerhaft im Fahrzeug versteckt zwischen den Waschmitteln im Toilettenfach. Die weiteren Details des Diebstahls konnten im Nachgang jedoch nicht mehr aufgeklärt werden.
In der Folge forderte der Kläger Ersatz von seinem Teilkaskoversicherer. Dieser zahlte jedoch zunächst nur einen Betrag von 16.000 €, der Kläger forderte die Zahlung weiterer 32.000 €. Der Versicherer hielt dem entgegen, dass er wegen grob fahrlässigen Verhaltens zur Leistungskürzung berechtigt sei.
Das Landgericht gab dem Kläger in erster Instanz Recht und sprach ihm die weiteren 32.000 € zu. Hiergegen wandte sich der Versicherer mit der Berufung.
Bestätigung durch das OLG
Das OLG teilte mit dem Hinweisbeschluss mit, dass es die Entscheidung des Landgerichts für richtig hält. Insbesondere sei der Versicherer nicht zur teilweisen Leistungskürzung berechtigt. Grundsätzlich sei in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen diese Möglichkeit gemäß der Regelung in § 81 Abs. 2 VVG vorgesehen. Danach kann der Versicherer dann die Leistung kürzen, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt. Vorliegend fehle es jedoch an der groben Fahrlässigkeit und an der Ursächlichkeit grob fahrlässigen Verhaltens für das Eintreten des Versicherungsfalls.
Grobe Fahrlässigkeit
Grobe Fahrlässigkeit beinhaltet ein objektives und ein subjektives Element. Objektiv grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dabei einfachste, naheliegende Maßnahmen nicht ergreift, die jedem in der konkreten Situation hätten einleuchten müssen. Subjektiv ist ein besonders hohes Maß an Vorwerfbarkeit erforderlich, es muss sich um eine subjektiv unentschuldbare Pflichtwidrigkeit handeln. Für beide Seiten der groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherer die Darlegungs- und Beweislast.
Missverständnisse passieren
Das Gericht hielt fest, dass das Zurücklassen des Erstschlüssel im Wohnmobil durch den Kläger nicht subjektiv grob fahrlässig war. Denn schließlich hatte er seine Ehefrau per Zuruf gebeten, den Schlüssel mitzubringen. Nur aufgrund eines Missverständnisses sei die Ehefrau diesem Wunsch nicht nachgekommen. Ein solches Missverständnis könne jedem passieren; das Verhalten des Klägers sei damit keine subjektiv unentschuldbare Pflichtverletzung.
Dies gelte auch bezüglich der Formulierung des Rufes, seine Ehefrau solle den Schlüssel mitbringen. Ausdrücklich hatte er seine Ehefrau damit nicht aufgefordert, das Wohnmobil auch abzuschließen. In der Aufforderung zur Schlüsselmitnahme liege jedoch gemeinhin auch die Aufforderung zum Abschließen. Zudem könne nicht davon ausgegangen werden, dass dieser „Formulierungsfehler“ den Diebstahl verursacht hat, da die Ehefrau den Kläger gar nicht richtig verstanden hat. Es fehle insofern also auf jeden Fall an der Kausalität.
Vertrauen und Verstecke
Das Gericht stellte auch heraus, dass der Kläger das Abschließen und Mitbringen des Schlüssels nicht kontrollieren musste. Da den Versicherer die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der groben Fahrlässigkeit und der Herbeiführung des Versicherungsfalls trifft, hätte er Anhaltspunkte vorbringen müssen, warum das unter Ehegatten übliche Vertrauen im vorliegenden Fall nicht angebracht war. Dies hat der beklagte Versicherer jedoch versäumt.
Hinsichtlich des dauerhaften, verstecken Aufbewahrens des Zweitschlüssels im Wohnmobil könne dahinstehen, ob hierin ein grob fahrlässiges Verhalten zu sehen sei. Entscheidend sei, ob der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt, also erst ermöglicht oder veranlasst hat. Das Auffinden von im Fahrzeug aufbewahrten Fahrzeugzweitschlüsseln und -papieren könne den Diebstahl sowie die Beutesicherung und -veräußerung zweifellos erleichtern. An der Herbeiführung fehle es jedoch, wenn der Täter vor Diebstahlsentschluss nicht gesehen hat, dass sich im Fahrzeug Schlüssel befinden. Im hiesigen Fall spreche nichts dafür, dass die versteckten Zweitschlüssel für den Tatentschluss oder die Tatbegehung eine Rolle gespielt hätten. Da der genaue Ablauf des Diebstahls nicht aufgeklärt werden konnte, gehe dies zu Lasten des beweisbelasteten Versicherers.
Verhalten der Ehefrau nicht zuzurechnen
Auch könne dahinstehen, ob die Ehefrau des Klägers grob fahrlässig gehandelt hat. Denn deren Verhalten könne dem Kläger jedenfalls nicht zugerechnet werden. Grundsätzlich hat ein Versicherungsnehmer nicht für das Verschulden Dritter einzustehen. Anderes gelte nur, wenn der Dritte als Repräsentant des Versicherungsnehmers anzusehen ist. Anerkannt ist das in zwei Fallgruppen: bei der Übertragung der Risikoverwaltung und der Übertragung der Vertragsverwaltung. Unter keine der beiden Gruppen könne die Ehefrau im vorliegenden Fall gefasst werden. Im Bereich der Kaskoversicherung kommt es bei der Risikoverwaltung darauf an, wer für die tatsächliche Betreuung des Fahrzeugs eigenverantwortlich zu sorgen hat. Vorliegend habe die Verfügungsbefugnis und Verantwortlichkeit für das Wohnmobil ausschließlich dem Kläger oblegen. Anhaltspunkte dafür, dass der Ehefrau die Risikoverwaltung übertragen war, gebe es nicht. Dies gelte auch für die Übertragung der Vertragsverwaltung.
Wohnmobil-Versicherung ≠ Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs
Die Ehefrau sei auch nicht über § 1357 Abs. 1 BGB (Mit-)Versicherungsnehmerin geworden und ihr Verhalten deswegen zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen zu besorgen. Dadurch werden also regelmäßig beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet.
Bei dem Abschluss des Kfz-Versicherungsvertrages für das Wohnmobil handele es sich jedoch nicht um ein Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs. In einem anderen Fall hatte der BGH entschieden, dass der Abschluss einer Vollkaskoversicherung ein solches Geschäft darstellen könne. Dabei habe es sich jedoch um das einzige Fahrzeug einer fünfköpfigen Familie gehandelt. Der Abschluss des Versicherungsvertrages habe dort den Erhalt eines Fahrzeugs für die Familie sichern sollen. Damit sei dementsprechend auch der Bedarf der Familie, immer ein Fahrzeug zur Verfügung zu haben, gedeckt worden. Dies lasse sich jedoch nicht auf den hiesigen Fall übertragen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Beteiligung der Ehefrau lediglich darin bestand, das Wohnmobil etwa zu Urlaubszwecken mitzunutzen.
Nach Erteilung des Hinweisbeschlusses nahm der beklagte Versicherer die Berufung zurück.
Wenn wir mit diesem Beitrag Ihr Interesse geweckt haben, schauen Sie auch gerne in unsere weiteren Blogeinträge. Sollten Sie in einer ähnlichen Fallkonstellation selbst betroffen sein, melden Sie sich. Eine fernmündliche Ersteinschätzung seitens unseres Teams ist für Sie kostenfrei.