Wie weit geht die Mitwirkungspflicht zur Aufklärung eines Schadensfalls gegenüber dem Versicherer? Muss der Versicherungsnehmer sich selbst belasten? Und welche Folgen hat die fehlende oder unvollständige Mitwirkung bei der Aufklärung? Mit all diesen Fragen hat sich das Landgericht Osnabrück in dem Urteil vom 24.05.2023 (Az: 9 O 3254/21) befasst.
Das ist passiert
Im Januar 2018 wurde bei einem Brand in einem Restaurant dessen Inneneinrichtung stark beschädigt. Die Restaurantbetreiberin meldete den Vorfall unmittelbar an ihren Versicherer. Ein Sachverständiger bezifferte den entstandenen Schaden auf rund 640.000,00 €. Es bestand der Verdacht der vorsätzlichen Brandlegung. Der tatverdächtige Dritte aus dem Umfeld der Betreiberin wurde in dem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Osnabrück jedoch freigesprochen.
Der Versicherer übermittelte der Betreiberin im März 2018 einen Katalog von 20 Fragen zur weiteren Bearbeitung und Aufklärung des Vorfalls. Dieser wurde im August 2018 durch einen hinzugezogenen Rechtsanwalt beantwortet. Nach Ansicht des Versicherers wurden die Fragen jedoch nicht oder teilweise unvollständig beantwortet. Er setzte der Versicherungsnehmerin daher eine Frist zur ergänzenden Beantwortung der Fragen. Dabei wies er auf § 28 Abs. 2 VVG hin, wonach die Leistung gekürzt oder die Einstandspflicht abgelehnt werden kann, wenn der Versicherungsnehmer seiner Mitwirkungspflicht zur Aufklärung des Schadensfalls nicht nachkommt. Ergänzende Antworten erfolgten jedoch nicht und der Versicherer lehnte im November 2018 seine Einstandspflicht ab. Als Begründung gab er die unterbliebene Erfüllung der Aufklärungs- und Mitwirkungsobliegenheiten der Versicherungsnehmerin an. Diese ging dagegen nun gerichtlich vor und klagte auf Zahlung durch den Versicherer.
Kein Erfolg beim Landgericht
Das LG wies die Klage jedoch ab. Die Versicherungsnehmerin sei mit der unterbliebenen ergänzenden Beantwortung des Fragenkatalogs vorsätzlich ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen.
Die gestellten Fragen seien zunächst zulässig gewesen. Fragen an Versicherungsnehmer seien dann zulässig, wenn deren Beantwortung relevant sein kann für die Einschätzung des Versicherers bezüglich seiner Einstandspflicht. Es sei nicht erforderlich, dass die Beantwortung der Fragen sich tatsächlich als wesentlich erweist. Es müssten auch Angaben getätigt werden, durch welche sich der Versicherungsnehmer gegebenenfalls selbst belaste. Im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer gelte der strafrechtliche Grundsatz, wonach sich niemand selbst belasten muss („nemo tenetur“), gerade nicht.
Vorsätzliche Nichtbeantwortung
Aufgrund der Nachfrage des Versicherers sei für die Betreiberin erkennbar gewesen, dass die Auskünfte ihres Rechtsanwalts nicht ausreichend gewesen seien. Auch sei der Zeitraum von drei Monaten zwischen der Nachfrage des Versicherers und der Ablehnung der Einstandspflicht zu berücksichtigen. Der Zeitablauf lasse nur den Rückschluss zu, dass die Betreiberin die Fragen unvollständig und unzutreffend beantworten wollte. Es sei somit von einem vorsätzlichen Handeln der Versicherungsnehmerin auszugehen.
Zudem sei der Betreiberin auch bewusst gewesen bzw. habe sie gewollt, dass die unzureichende Beantwortung der Fragen Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistungspflicht hat oder haben kann. Die Versicherungsnehmerin habe so versucht, den Verlust ihres Leistungsanspruchs zu minimieren. Dies sei vor dem Hintergrund anzunehmen, dass der Verdacht der vorsätzlichen Brandlegung bestand. Auch sei gegen eine Person aus dem näheren Umfeld der Versicherungsnehmerin ermittelt worden. Daher könne dahinstehen, ob die Verletzung der Mitwirkungspflicht für die Feststellung der Einstandspflicht oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich sei. Dieser Kausalitätsgegenbeweis ist nach § 28 Abs. 3 VVG nämlich dann ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat. Davon geht das LG hier augenscheinlich aus.
Gegen dieses Urteil kann noch Berufung eingelegt werden. Es bleibt also abzuwarten, ob sich auch das Oberlandesgericht mit diesem Fall noch auseinanderzusetzen hat.
Wenn wir mit diesem Beitrag Ihr Interesse geweckt haben, schauen Sie auch gerne in unsere weiteren Blogeinträge. Sollten Sie in einer ähnlichen Fallkonstellation selbst betroffen sein, melden Sie sich. Eine fernmündliche Ersteinschätzung seitens unseres Teams ist für Sie kostenfrei.
Wie weit geht die Mitwirkungspflicht zur Aufklärung eines Schadensfalls gegenüber dem Versicherer? Muss der Versicherungsnehmer sich selbst belasten? Und welche Folgen hat die fehlende oder unvollständige Mitwirkung bei der Aufklärung? Mit all diesen Fragen hat sich das Landgericht Osnabrück in dem Urteil vom 24.05.2023 (Az: 9 O 3254/21) befasst.
Das ist passiert
Im Januar 2018 wurde bei einem Brand in einem Restaurant dessen Inneneinrichtung stark beschädigt. Die Restaurantbetreiberin meldete den Vorfall unmittelbar an ihren Versicherer. Ein Sachverständiger bezifferte den entstandenen Schaden auf rund 640.000,00 €. Es bestand der Verdacht der vorsätzlichen Brandlegung. Der tatverdächtige Dritte aus dem Umfeld der Betreiberin wurde in dem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Osnabrück jedoch freigesprochen.
Der Versicherer übermittelte der Betreiberin im März 2018 einen Katalog von 20 Fragen zur weiteren Bearbeitung und Aufklärung des Vorfalls. Dieser wurde im August 2018 durch einen hinzugezogenen Rechtsanwalt beantwortet. Nach Ansicht des Versicherers wurden die Fragen jedoch nicht oder teilweise unvollständig beantwortet. Er setzte der Versicherungsnehmerin daher eine Frist zur ergänzenden Beantwortung der Fragen. Dabei wies er auf § 28 Abs. 2 VVG hin, wonach die Leistung gekürzt oder die Einstandspflicht abgelehnt werden kann, wenn der Versicherungsnehmer seiner Mitwirkungspflicht zur Aufklärung des Schadensfalls nicht nachkommt. Ergänzende Antworten erfolgten jedoch nicht und der Versicherer lehnte im November 2018 seine Einstandspflicht ab. Als Begründung gab er die unterbliebene Erfüllung der Aufklärungs- und Mitwirkungsobliegenheiten der Versicherungsnehmerin an. Diese ging dagegen nun gerichtlich vor und klagte auf Zahlung durch den Versicherer.
Kein Erfolg beim Landgericht
Das LG wies die Klage jedoch ab. Die Versicherungsnehmerin sei mit der unterbliebenen ergänzenden Beantwortung des Fragenkatalogs vorsätzlich ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen.
Die gestellten Fragen seien zunächst zulässig gewesen. Fragen an Versicherungsnehmer seien dann zulässig, wenn deren Beantwortung relevant sein kann für die Einschätzung des Versicherers bezüglich seiner Einstandspflicht. Es sei nicht erforderlich, dass die Beantwortung der Fragen sich tatsächlich als wesentlich erweist. Es müssten auch Angaben getätigt werden, durch welche sich der Versicherungsnehmer gegebenenfalls selbst belaste. Im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer gelte der strafrechtliche Grundsatz, wonach sich niemand selbst belasten muss („nemo tenetur“), gerade nicht.
Vorsätzliche Nichtbeantwortung
Aufgrund der Nachfrage des Versicherers sei für die Betreiberin erkennbar gewesen, dass die Auskünfte ihres Rechtsanwalts nicht ausreichend gewesen seien. Auch sei der Zeitraum von drei Monaten zwischen der Nachfrage des Versicherers und der Ablehnung der Einstandspflicht zu berücksichtigen. Der Zeitablauf lasse nur den Rückschluss zu, dass die Betreiberin die Fragen unvollständig und unzutreffend beantworten wollte. Es sei somit von einem vorsätzlichen Handeln der Versicherungsnehmerin auszugehen.
Zudem sei der Betreiberin auch bewusst gewesen bzw. habe sie gewollt, dass die unzureichende Beantwortung der Fragen Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistungspflicht hat oder haben kann. Die Versicherungsnehmerin habe so versucht, den Verlust ihres Leistungsanspruchs zu minimieren. Dies sei vor dem Hintergrund anzunehmen, dass der Verdacht der vorsätzlichen Brandlegung bestand. Auch sei gegen eine Person aus dem näheren Umfeld der Versicherungsnehmerin ermittelt worden. Daher könne dahinstehen, ob die Verletzung der Mitwirkungspflicht für die Feststellung der Einstandspflicht oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich sei. Dieser Kausalitätsgegenbeweis ist nach § 28 Abs. 3 VVG nämlich dann ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat. Davon geht das LG hier augenscheinlich aus.
Gegen dieses Urteil kann noch Berufung eingelegt werden. Es bleibt also abzuwarten, ob sich auch das Oberlandesgericht mit diesem Fall noch auseinanderzusetzen hat.
Wenn wir mit diesem Beitrag Ihr Interesse geweckt haben, schauen Sie auch gerne in unsere weiteren Blogeinträge. Sollten Sie in einer ähnlichen Fallkonstellation selbst betroffen sein, melden Sie sich. Eine fernmündliche Ersteinschätzung seitens unseres Teams ist für Sie kostenfrei.